31.08.2015

Auf in den Süden

Freitag, grauer Himmel, Nieselregen, reichlich Arbeit. Zeit für Wochenende. Statt entspannt ins Wochenende zu starten, beeile ich mich zum Bahnhof zu kommen. Zug und Flug warten ja nicht unbedingt auf mich. Über Oslo nach Moskau. Dort habe ich nur 2 Stunden zum Umsteigen. Die Sicherheitskontrollen dauern ein bisschen. Viel ist mitten in der Nacht eh nicht zu sehen, also kein Problem. Nach weiteren 3 Stunden und einem weiteren Stück Pappe, genannt Sandwich, lande ich in Yerevan. Klack, Stempel im Pass, hopp, Gepäck geholt und schon bin ich in der Stadt. Hostelbett, schlafen und los. Es ist erstaunlich warm. Hatte doch das allwissende Internet 25°C versprochen und nicht 35°C. Da hilft nur Sonnencreme und los. Der Weg führt aus der Stadt heraus, vorbei an vielen trockenen Hügeln und wenigen Häusern, bis nach Geghard. Dort ist eines der bekanntesten Klöster des Landes. Bekannt, weil es groß, gut erhalten, dicht an der Stadt und halb in den Felsen gehauen ist. Wie fast überall stehen vor dem Eingang des Klosters Souvenirverkäufer und verkaufen Kuchen, Süßes, Kreuze, Wodka und andere Kleinigkeiten. Dann geht es eine kleine Treppe hoch und schon stehe ich in einer Kirche. Eine hohe Kuppel mit sogenanntem Stalagtiten- Muster öffnet sich über mir. Die Luft ist Weihrauch-schwer und die wenigen Sonnenstrahlen, die durch die kleinen Fenster fallen, malen beeindruckende Muster in den Weihrauch.

Kloster in ArmenienEine kleine Tür führt aus dem Raum heraus, weiter in den Berg hinein. Der Raum ist nur noch von den vielen honiggelben Kerzen beleuchtet und ich frage mich, was da wohl so spannend ist. Es drängen nämlich eine Menge Leute in diesen Raum. Nach einer kurzen Weile Schlange stehen, finde ich mich plötzlich vor einer Wasserquelle wieder. Das soll heiliges Wasser sein und gegen alles helfe, was unangenehm ist. Nach einem Schluck Wasser aus der Heiligen Quelle, gehe ich die Treppe nach oben in die 2. Etage der Kirche. Fast gänzlich abgeschlossen von der 1. Etage, ist da ein 2. Kirchraum. Durch ein Loch im Boden, kann man in den Raum der ersten Etage gucken.

Obwohl das Kloster nicht mehr als Kloster aktiv ist, sind viele Menschen hier unterwegs. Auf der einen Seite sind es Touristen, auf der anderen Seite, laufen Priester und festliche gekleidete Menschen hin und her. Taufen und Hochzeiten finden hier nämlich noch statt. Nur Mönche wohnen nicht mehr hier.
Eine weitere Kirche lädt zur Besichtigung ein. In den Wänden sind großartige Steinschnitzereien zu sehen. Fast überall sind Kreuze in den Stein gemeißelt. Filigrane Muster, die ich nie im Stein vermutet hätte, haben die alten Künstler hervor gezaubert. Jedes Kreuz und jeder Kreuzstein ist ein Unikat und alle sind willentlich asymmetrisch. Asymmetrisch, damit sie nicht "göttlich" erscheinen. Die kleinen Asymmetrien sind aber so unauffällig, dass ich sie nicht gesehen habe.
Durch schmale Gänge mit niedrigen Decken gelange ich wieder raus ans Tageslicht. Ziemlich warm hier. Der Himmel ist blau, aber es ist diesig. Die Berge in der Ferne verschwimmen im Dunst. Schade.
Am Fuß einer weiteren Treppe (also in den Fels gehauene Treppenstufen) stehen Menschen und werfen Kieselsteinchen gegen eine Wand. Bei näherem Hingucken, stelle ich fest, dass sie versuchen, die Steinchen in Löcher in der Felswand zu werfen. Bleibt der Stein dort liegen, soll das Glück bringen. Man hat unendlich viele Versuche, um das zu schaffen. Da ich keine Lust habe, mich in die Schlange zu stellen, schlendere ich weiter durch das Klostergelände, zu einer Brücke und einer Höhle. Hübsch hier.

Dann laufen wir los. Durch ein trockenes Tal. Alles, was ich bis jetzt gesehen habe, ist trocken. Auch wenn der Boden fast schon staubt, gibt es reichlich Vegetation. Bäume (Äpfel, Birnen, Pflaumen, Reneclauden, Mirabellen, aber auch Granatäpfel, Pfirsich und Aprikosen - letztere allerdings nicht pflückbereit), Sträucher, Dornengewächse und allerhand Gestrüpp wächst wild in der Gegend herum. Die Sonne brennt und Schatten gibt es kaum, dafür gibt es an fast jeder Weggabelung einen Trinkbrunnen. Statt das Wasser zu trinken (ich traue mich trotz Asbest-Bakterien-Flora nicht so recht), lasse ich mir immer wieder etwas Wasser über den Kopf und über die Handgelenke laufen. Das tut gut. 

Die Landschaft scheint irgendwie karg. Auch wenn hier und da ein paar Pflanzen stehen, ist es eher grau/braun. Wir gehen in einer Schlucht. Rechts und links geht es den Berg hoch. Ein kleines Bächlein fließt neben uns her. Und dann - rechts um die Ecke und ich glaube, mir müssen die Augen aus dem Kopf fallen, weil ich vor einer Wand aus Basaltsäulen stehe. Unglaublich. Ich weiß ja theoretisch, dass es "nur" Stein ist, aber die Formationen sind einmalig. War ich doch schon in Washington so begeistert davon. Und jetzt hier, nur in soooooo riesig. Ich gucke und staune und lasse die Macht der Vulkane auf mich wirken. Was so ein bisschen Stein doch faszinieren kann. 

Als ich mich satt geguckt habe, geht es den Berg hoch - warm...- durch das Dorf zum Tempel von Garni. Ein heidnischer Tempel, erinnert mich an die griechischen oder römischen Tempel mit den Säulen davor. Eine sehr aufgeräumte Anlage, aber nicht atemberaubend. Abends duschen und dann ein Bummel durch die Stadt. Ich bin erschlagen von der Vielfalt der Geschäfte. Es gibt jegliche Designer, die man sich so vorstellen kann, schicke Cafés und Restaurants und nichts erinnert daran, dass ich östlich der Türkei bin. Ja, es ist hübsch und ich genieße es, bis spät abends in Shorts und T-Shirt sitzen zu können, aber wo ist das fremdartige, das orientalische?

Hatte ich mich draußen noch über den warmen Abend gefreut, geht die Begeisterung schnell zurück, als ich mich ins Bett lege. Puuh, schön warm hier...