21.06.2016

Zum Glück ist vieles heil geblieben

Schon vor dem Abflug habe ich überlegt, ob ich in Kathmandu überhaupt noch was wiedererkennen würde, nach dem Erdbeben. Der Flughafen hatte sich auf jeden Fall nicht verändert. Auf der Fahrt ins Thamel war es ja schon dunkel, aber trotzdem konnte ich den einen oder anderen Blick auf die Stadt werfen. Viel Zerstörung habe ich nicht gesehen. Auch der Hindu-Tempel mit den Ghats am Bagmati Fluss, stand da, ganz genau, wie vor 2 Jahren. 
Irgendwann wusste mein Gehirn, dass wir gleich links abbiegen würden. Und kurze Zeit später, sind wie links abgebogen. Diese GPS-Neurone sind faszinierend. Nur dass die Mosers mir jedes mal - mit allen Familiengeschichten - in den Kopf kommen, wenn diese Superneurone mal wieder ihren Job machen, das nervt ein bisschen. 
Nach dem Abbiegen wusste ich genau, wo wir sind. Das Hotel liegt in der Nähe des Garden of Dreams, einem Park in dem sich Kathmandus reiche Jugend zum Händchenhalten trifft. 
Mein Zimmer liegt im 2 Stock und hat eine Klimaanlage. Jetzt hoffe ich nur, dass der Strom nicht gleich ausgeschaltet wird. Kurz duschen und dann ins Bett. Ich fülle meine Wasserflasche und bin unsicher, ob ich dem Filter trauen kann. Mutig trinke ich einen Schluck. Wenn der Filter nicht funktioniert, habe ich jetzt bald ein Problem. Aber erstmal lege ich mich ins Bett und falle kurz darauf in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen wache ich davon auf, dass die Klimaanlage ausgeht. Ok, heute ist also um 7 Uhr Schluss mit dem Strom. Ich packe ein bisschen um und gehe frühstücken. 
Dann werde ich auch schon von einem City-Guide abgeholt und los geht es zu den mir wohl bekannten Sehenswürdigkeiten. Nur im Regen kannte ich die Tempel noch nicht. 
 
Als erstes steht der Affentempel auf dem Programm. Swayambhunath hat das Erdbeben nicht unverletzt überlebt und hier und da fehlt ein Stück der Anlage, bzw. liegt als Schutthaufen in einer Ecke. Trotz der offensichtlichen Zerstörung tobt hier das Leben. Ein paar Touristen patschen durch die Pfützen, Arbeiter tragen Steine - jedem Arbeiter gucken 2 Aufpasser zu, diese werden von jeweils 4 Oberaufpassern beaufsichtigt und bei besonders wichtigen Arbeiten, werden die 4 Oberaufpasser auch noch von 8 Super-Oberaufpassern beobachtet, dazwischen der eine oder andere, der zum Beten oder Opfergaben bringen gekommen ist. Und nicht zu vergessen, die Affen. 

Weiter geht es zum PashupatinathTempel, den ich gestern Abend schon aus dem Autofenster gesehen habe. Auch hier liegen einige Schutthaufen, aber die Grundstruktur ist genau, wie in meiner Erinnerung. Hier wird gerade ein wichtiger Mann zur Kremierung vorbereitet. Mit reichlich oragenen Blumen geschmückt liegt der Tote auf den Stufen des Bagmati-Flusses. Die Menschen, die dem Mann die letzte Ehre, bzw das letzte Wasser auf den Kopf gießen oder Blumen hinlegen, erweisen wollen, stehen in einer langen Schlange an und warten geduldig, bis sie an die Reihe kommen. Der älteste Sohn des Mannes hat seine Haare, bis auf einen kleinen Zopf abrasiert und steht nur in einer Art Unterhose bekleidet dich bei der Leiche und nimmt die Beileidsbekundigungen entgegen. Er ist es auch, der dem Vater das Benzingetränkte Strohbüschel in den Mund stecken und anzünden muss. Sicher keine leichte Aufgabe.
Seit einiger Zeit gibt es ganz in der Nähe auch ein modernes Krematorium, in dem die Leichen innerhalb einer Stunde verbrannt werden. Das ist deutlich günstiger, wird aber nur ungern genutzt, weil es nicht so traditionell ist. Die Ghats werden nämlich stundenweise gemietet. Und so eine normale Verbrennung dauert oftmals mehrere Stunden. Es fängt wieder an zu regnen und wir machen uns auf den Weg, weiter zu Boudhanath, dem größten Stupa Nepals. 

Boudhanath ist versteckt unter Planen. Auch hier hat das Erdbeben seine Spuren hinterlassen. Der Stupa wird gerade restauriert. In einem der Restaurants mit Dachterrasse gehen wir Mittag Essen. Weiß genau, was ich will - Momos. Diese unendlich leckeren tibetischen Teigtaschen. Auf die habe ich mich schon die ganze Zeit gefreut. 

Der Besuch hier ist kurz, viel gab es leider nicht zu sehen. Und so ziehen wir weiter zum Kathmandu Durbar Sqaure, wo die kleine Kindergöttin leidet. Da es wie aus Eimern schüttet, habe ich keine große Lust mich zwischen Baugerüsten und Matschgruben großartig umzugucken. Als ich das letzte mal hier war, tobte das Leben. Jetzt spritzt der Matsch. Wir gehen durch die Ausstellung und ich bekomme die Monarchie und das Ende selbiger erklärt. Dieser Anschlag auf die Königsfamilie, der zum Ende der Monarchie geführt hat, ist immer noch ein Mysterium. Keiner weiß so richtig, was passiert ist und vor allem, wer den Anschlag verübt hat. Onkel oder Sohn? Beide hätten sicher ihre Gründe gehabt. Und keiner hat das erreicht, was er erreichen wollte: nämlich Nepals regierender König werden. 

Dann kommen wir in den Innenhof mit dem Fenstern des versklavten Kindes. Diese hinduistische Göttin, muss das Kind einer buddhistischen Familie sein. Es gibt mehrere Schönheitskriterien, die sie erfüllen muss und dann muss sie das Pech haben, von den Göttinnenjägern entdeckt zu werden. Im Alter von 3-5 Jahren wird das Kind aus seiner Familie gerissen und von da an, jeden Tag geschminkt und ans Fenster gesetzt, damit sie begafft werden kann. Ein Privatlehrer sorgt dafür, dass das Mädchen ein wenig Schulbildung bekommt. Hin und wieder darf sie die Eltern als Besucher empfangen, aber nicht berühren. Zu jeglichen Veranstaltungen außerhalb ihres Gefängnisses, wird sie getragen. Mit ca 13 Jahren, ist der Spuk vorbei und das Kind wird seinen Eltern zurückgegeben. Völlig verstört und sozial unfähig. Die Ex-Kumari bekommt eine kleine Rente und muss von nun an ein anderes Leben führen. Die meisten Mädchen schaffen es nicht, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Ihnen fehlen um die 10 Jahre des sozialen Lernens. Zu dem gilt es als unglückbringend für den Mann, wenn er eine Ex-Kumari heiratet. Klasse, bestimmt für ein Leben in Armut. 
Ich bin genauso geschockt, wie beim letzten Besuch. Dass die Kumari ans Fenster gekommen ist, hat mich nicht weiter beeindruckt. Mir tun diese Mädchen einfach nur unendlich leid. 

Inzwischen ist es schon später Nachmittag und ich freue mich auf eine Dusche und ein bisschen ausruhen. Ein kurzer Stopp bei Tika, dem Veranstalter im Büro. Permit und Tickets sind klar. 
Mustang, pass auf, ich komme!

19.06.2016

Anonyme Langstreckenflugabhänginge

Als ich am Rechner saß und den Flug nach Kathmandu gebucht habe, habe ich ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, über Bangkok zu fliegen, einfach weil der Flug länger ist. Wenn ich schon mal unterwegs bin, dann am liebsten richtig. Also richtig lange. Ab 8 Stunden macht ein Flug ja erst richtig Spaß. Da kann ich dann 6 Stunden schlafen und mindestens 2 Stunden was anderes machen. Essen, Film gucken, Nickerchen machen, was halt so üblich ist im Flugzeug. Aus ökonomischer Sicht ist es dann doch der Flug über Dubai geworden. Ein bisschen mehr als 6 Stunden nach Dubai. Mmh, naja. Besser als nichts. Aber länger wär schöner.
Der Flug nach Dubai ist entspannend. Ich mache mich lang, auf meinen 3 Sitzen. Lammcurry zum Abendbrot und dann immerhin 4 Stunden schlummern. Dann 8 Stunden in Dubai. Dabei lerne ich viel über den Flughafen. Terminal 1+3 sind die bekannten, schönen, Hochglanzterminals mit Spa-Abteilung und Shoppingmall. Dann gibt es da noch Terminal 2. Emirates fliegt übrigens nicht von da, nur Fly Dubai, eine Emirates-Tochter, die viel in den mittleren Osten fliegt. Und nach Indien und Nepal, vorwiegend, um die ganzen Gastarbeiter, die in Dubai schufte, hin und her zu transportieren. Zum Glück hatte ich mich vorher informiert und bin erstmal nicht zu Terminal 2 gefahren, sondern habe die bunte und glitzernde Welt genossen. 1,5 Stunden vor Abflug bin ich in den kleinen Bus gestiegen, der seine besseren Tage wohl schon gesehen hatte. Vor einer großen Halle hält der Bus an und ich finde mich in der richtigen Welt wieder. Es wuselt und wimmelt überall. Leute stehen, liegen und sitzen auf dem Boden, auf den Bänken und auf großen Gepäckstapeln. Ansagen sind kaum zu verstehen und als Restaurant gibt es ein bisschen Fastfood. Das ist die andere Seite der Glitzerwelt.Ich fühle mich wieder ein bisschen näher an der Erde. Da drüben, 25 Minuten entfernt auf der anderen Seite des Flughafens, da habe ich in anderen Sphären geschwebt und war nicht wirklich in dieser Welt. Jetzt bin ich fast angekommen. 
Auch die Flugzeuge von Fly Dubai haben mehr von der richtigen Welt, als die von Emirates. Rückenlehnen lassen sich nur 2cm bewegen, Unterhaltung gibt es nicht und das Essen und Trinken kann man nur in US$ bezahlen. Die Auswahl ist auch eher sparsam. 
Ich bin zum Glück hundemüde und verschlafe die meiste Zeit. Als wir kurz vor Kathmandu sind, fange ich an, zu überlegen, was ist, wenn mein Gepäck nicht mitgekommen ist. Oder wenn mich keiner abholt. Wenn mich keiner abholt, dann nehme ich mir halt ein Taxi und fahre alleine ins Thamel. Da finde ich auf jeden Fall eine Unterkunft. Die Sache mit dem Rucksack wäre schwieriger gewesen, aber auch zu lösen. Nach der Visa-Kauf-Prozedur - wir erinnern uns, online Formular mit online Bild abgeschickt, Papierformular mit Papierbild noch als Zugabe dazu gegeben, wobei Bilder und Formulare getrennt voneinander aufbewahrt werden - schnell einen Stempel ins den Pass bekommen und dann stehe ich, vom tropischen Regenschauer etwas klamm, aber ganz sicher bei 30°C ohne Klimaanlage nicht frierend am Gepäckband und warte gespannt. Lange Zeit passiert nichts. Dann kommen 2,3 Taschen. Dann nichts. Ok, als erstes würde ich versuchen hier einen Verantwortlichen zu finden, dann eine Bestätigung, dass mein Gepäck nicht mitgekommen ist, ah halt, da kommen 3 weitere Koffer. Weiter überlegen, und dann teile ich das der Versicherung mit. Nach ungefähr einer Stunde Warten, also fast 2 Stunden nach der Landung, kommt mein Rucksack mit dem ruckelnden Gepäckband an. Ganz unschuldig, liegt er pitschepatsche nass da. Fein, dann kann ich ja jetzt endlich raus in den Regen. Und tada, da steht auch schon jemand, der ein Schild mit meinem Namen hochhält. Das Abenteuer Nepal geht in die nächste Runde!