14.07.2007

Der Regenwald

Jetzt weiß ich, warum der Regenwald Regenwald heißt. Weil es ein Wald ist und weil es viel regnet. Schon bei der Ankunft in Tena, dem Ausgangspunkt unserer Regenwaldtour, hat es angefangen zu regnen. Und der Regen im Regenwald ist nicht, wie der Regen in Deutschland... Vielleicht bietet Starkregen mit Orkanböen einen kleinen Eindruck davon, wie Regen im Amazonasdschungel abläuft. Nur dass der Regen dort nicht nach 3 Minuten wieder weniger wird. Es kann ganze Tage in so einer Intensität regnen... Also, in Tena angekommen ist es schon merklich wärmer und feuchter. Schnell haben wir einen Anschlussbus bekommen und sind zu der "Haltestelle" Puerto Rio Barantilla gefahren. Der Regen ist unbeschreiblich stark. Aus dem Fenster kann ich 3 Meter weit sehen, dann ist alles grau. An der sogenannten Haltestelle angekommen, stellen wir fest, dass dort nichts ist. Ein Kanuanlegeplatz. Etwas weiter oben steht ein Haus, unter dessen Vordach, wir uns unterstellen dürfen. Nach einiger Zeit hört der Regen auf und die Sonne kommt raus. Es wird plötzlich richtig warm. Der Hausbesitzer erklärt uns, dass gleich ein Kanu kommen würde. Wir gehen runter zum Anleger und siehe da - eine Europäerin steigt aus und spricht deutsch mit uns. Gleich kommt ein zweites Kanu, das uns zur Lodge mitnimmt. bald sitzen wir im Kanu und können es kaum glauben. Der Fluss ist hellbraun, die Bäume riesig groß und grün, Lianen hängen ins Wasser, Affen und Vögel schreien, Kinder fischen am Ufer. Es ist wie im Fernsehen. Aber hier ist es echt, nicht hinter dem Fernsehschirm! Ich bin begeistert und freue mich so sehr, dass ich platzen könnte. Die Fahrt ist unbeschreiblich schön und ich bin fast schon traurig, als wir an der Lodge ankommen. Aber dazu gibt es keinen Grund. Die Lodge ist mehr als einladend. Das Haupthaus ist ein offenes Rondeel. Dort stehen Tische und Stühle zum Essen, ein paar Hängematten hängen dort und ein offener Kamin sorgt für Rauch gegen Insekten. Strom gibt es hier nicht. Brauchen wir auch nicht, denn überall sind Kerzen. Die werden abends angezündet, damit es richtig gemütlich wird. Wir bringen unsere Rucksäcke in ein wunderbares Zimmer. Die Fenster sind Fliegengitter und das Zimmer auf den ersten Blick insektenfrei. Auf dem Nachttisch stehen Kerzen, auch im Badezimmer sind Kerzen zu finden. Umgezogen und fit für neue Abenteuer hören wir uns die wichtigsten Sicherheitsregeln an. Schuhe immer ausschütteln, gucken, wo man sich hinsetzt, das Bett nach Skorpionen absuchen usw. Dann beginnt ein neuer Abschnitt der Amazonaslebens. Wir wollen Fische fangen und ein Floß bauen. Mit einem Kanu fahren wir ein Stück den Fluss hinauf. An einer Kiesbank halten wir an und jeder darf versuchen einen Fisch zu fangen. Das Netz ist in Handarbeit gefertigt und relativ schwer. Keiner fängt einen Fisch, der groß genug wäre, dass wir in zum Abendbrot essen könnten :-( Leider fängt es auch wieder an zu regnen und das Floß ist nicht mal in Ansätzen fertig. Mit vereinten Kräften bauen wir. Eigentlich ganz einfach. Man nimmt ein paar Stämme Balsaholz und bindet sie mit einem Seil zusammen. Das ganze auf der anderen Seite noch mal und fertig ist das Floß. Im strömenden Regen lassen wir uns stromabwärts treiben. Nass bis auf die Knochen kommen wir in der Lodge an und freuen uns auf nur leicht feuchte frische Klamotten und das warme Feuer! Meine Schuhe verbringen einen wunderbaren Abend in der Nähe des Feuers und sind am nächsten Morgen dem trockenen Zustand schon wesentlich näher.
Beim Essen klönen wir gemütlich mit Karin und Rudi aus München. Bis ein kleiner Zwischenfall die gute Stimmung etwas aussetzen lässt. Ein Tier enormer Größe fällt erst Lisa, dann mich an. Wir beide reagieren leicht panisch auf dieses Vieh. Wie sich später rausstellt, eine Grille. Von der Nasen-, nicht Fühlerspitze, bis zum Schwanz misst dieses Vieh ca 10cm. Es gibt tatsächlich so riesige Insekten. *WIDERLICH*
Aber die Aufregung legt sich schnell wieder und wir machen uns in absoluter Dunkelheit auf den Weg zu unseren Hütten. Dort gemütliches Kerzenlicht und keine Tiere.
Morgens wecken uns die Geräusche des Regenwaldes. Aber kein Regen. Schreie, Vogelgesänge, Grillengezirpe usw. Voller Vorfreude auf die Dschungelwanderung machen wir uns auf die Socken. Das Frühstück ist köstlich und der Tag kann losgehen. Lucia unser Guide ist nicht so begeistert von der Tatsache, dass sie jetzt arbeiten muss. Dementsprechend ist auch ihre Führung. Kurz und knapp. Wir laufen durch den Dschungel, der Schweiß läuft an uns herunter... Obwohl es gar nicht so warm ist, schwitzen wir wie in der Sauna. Der Regenwald ist einzigartig. Ich kann gar nicht beschreiben, was ich alles gesehen, gehört, gerochen und gefühlt habe. Die Grüns, die Geräusche der Insekten, der Affen, der Blätter, die Gerüche der Bäume, des feuchten Bodens, der Ameisen... Ameisen gibt es besondere Arten. Killerameisen, deren Biss 5 Stunden lang furchtbar schmerzhaft ist, Zitronenameisen, die nach Zitrone schmecken, rote Ameisen, die Töne von sich geben... Ich konnte mir nicht alles merken. Auch Lianen gibt es mehr als die berühmte Tarzanliane. Bäume, die als Kommunikationsmittel benutzt werden, indem an die Wurzeln geklopft wird. Ich kann es gar nicht glauben und summe die ganze Zeit "Ich bin im Regenwald...." Es ist so unwirklich, aber ich bin tatsächlich mitten im Regenwald. Im tropischen Regenwald!
Wir kommen an einer Wasserstelle mit klarem Wasser vorbei. Aber nach Baden ist uns nicht. Daher genießen wir nur ein paar Minuten sitzen, bevor es weitergeht. Wir wandern weiter durch das grün und bestaunen die riesigen Bäume.
Spät nachmittags sind wir wieder an der Lodge. Wir freuen uns auf eine wunderbare Dusche. Abends gibt es wieder ein köstliches Essen.
Wir sind die einzigen Gäste in der Lodge und so haben wir den Abend für uns.
Unser Ausflug auf die Anaconda Insel (ja, da gibt es Anacondas, große und gefährliche!!!) ist sehr spannend. Wir fahren mit dem Kanu rüber zur Insel, es sind nur ein paar Meter. Ob Anacondas so weit schwimmen können??? Wir laufen auf der Insel durch Felder und bestaunen die Bananenpalmen. Schnell werfen wir alle Essensregeln, die wir jemals gelernt haben über Bord und essen "palmitos" - Palmherzen. Einfach so aus der Erde gezogen, weder gewaschen, noch gekocht und auch nicht geschält. Aber sehr lecker. Neben Plantagen gibt es auf der Insel auch Häuser. Allerdings ohne Strom. Trotzdem sehen die Häuser nicht so armselig aus, wie die in Äthiopien. Alles ist sehr großzügig geschnitten und herrlich luftig. Ein paar Kinder gucken uns zu, wie wir mit einem Blasrohr auf ein Holzhuhn schießen. wir trinken Chicha *kotz*, ein gegorenes Getränk aus Kokos.
Unser letzter Tag beginnt mit Regen. Regen, Regen, Regen, Regen... Es wird gar nicht richtig hell und überhaupt ist es nicht sehr einladend. Alleine der Weg zum Frühstück reicht aus, um uns wieder bis auf die Haut nass werden zu lassen. Heute kreischen auch keine Affen und die Vögel singen nicht. Der Kanufahrer ist grimmig und der Bus hat eine Stunde Verspätung. Ich bin den Tränen nahe. Auf dieser Straße kommt niemals jemand vorbei, der uns mitnehmen könnte. Erleichtert, dass der Bus doch kommt, steigen wir ein und freuen uns jetzt schon auf Quito. Aber das ist noch weit entfernt. In Tena ist der Regen schon weniger geworden und eine Stunde nach Tena nieselt es nur noch. Ich friere, es ist nass und ich muss die ganze Zeit auf Klo. In Quito angekommen, sind Lisa und ich dankbar, dass die Fahrt vorbei ist. Abends bin ich dann wieder in meinem Hostal und überlege, wie ich alle Sachen in meinem Rucksack unterbringen kann.