15.05.2009

Zugfahrten in Indien

Eigentlich bin ich ja nicht der große Eisenbahnfan, aber hier in tropischen Temperaturen hat die Fahrt in einem klimatiseirten Zug doch eine besondere Anziehungskraft. Abgesehen davon ist es auch deutlich sicherer mit der Bahn zu fahren. Die indische Unfallstatistik im Straßenverkehr ist weltweit eine der schlimmsten. In Delhi sterben pro Jahr 1.700 Menschen im Straßenverkehr. In Relation zur Zahl der zugelassenen Fahrzeuge ist das ein trauriger globaler Spitzenwert. Ok, die nicht zugelassenen Fahrzeuge sollten dabei nicht vergessen werden... Die Bahn hat jährlich "nur" ca. 1000 Todesopfer zu vermelden. Was in Anbetracht der Tatsache, dass das Zugdach als bequeme Sitzgelegenheit angenommen wird und dass es wichtiger ist, dass ein Zug eine funktionierende Hupe, als funktionierenden Bremsen hat, eher wenig erscheint. In Delhi kann man als Tourist die Fahrkarte entweder im Tourist Reservation Office, im Reisebüro oder übers Internet buchen. Die "normalen" Fahrkartenschalter sind Indern vorbehalten. Interessanterweise gibt es hier keine Preisunterschiede zwischen Indern und Ausländern. Und das Buchen im Tourist Reservation Office ist eine der angenehmeren Tätigleiten. Dort steht nämlich eine Klimaanlage. In der Mitte des Raumes liegen Zettel, auf denen von Alter über Heimatadresse bis hin zum Geschlecht alles angegeben werden muss. Mit Glück findet man auch das Feld mit Abfahrtsort und Ankunftsort... Die Mitarbeiter (alle nur mäßig einer anderen Sprache als Hindi mächtig) runzeln dann die Stirn und wollen die Zugnummer wissen. Tjaaaa... Es ist nicht so, dass die einen Computer haben (12 Zoll, Schwarz-weiß Monitor) und nachgucken könnten. Das geht erst nach ein paar Nachfragen, aber es klappt. Immerhin kann ich dann die Zugnummer (das A und O beim Bahnfahren in Indien) auf meinem Zettel eintragen. Darf noch entscheiden, welche der 8 Klassen ich denn bevorzuge. AC verheißt gutes, nämlich Klimaanlage! Aber auch die Zugfahrten in der 2nd Class und SL (Sleeper) habe ich überlebt. Und das ohne Klimaanlage. Am Bahnhof bin ich mehrfach daruf hingewiesen worden, dass mein Ticket ungültig sei, es aber noch gültig gestempelt werden könnte. Das werde ich in Zukunft auch mal versuchen. "Tut mir leid, ihr Ticket ist nicht gültig so! Wenn Sie den ICE nehmen wollen, brauchen Sie noch einen Stempel." Ich werde diesen Service zu einem enorm guten Preis von nur 5 Euro pro Ticket anbieten. Ob ich den Gewinn wohl versteuern muss? Naja, ich habe mein Ticket nicht stempeln lassen und es war auch so gültig. Die Züge erscheinen vollkommen unsortiert (für meine Augen) auf einer Anzeigentafel. Weder Abfahrts- noch Ankunftsort, weder Zugnummer noch Abfahrtszeit ergeben eine logische Reihenfolge. In unregelmäßigen Abständen taucht halt jeder Zug mal kurz auf. Das Gleis kann sich bis zur Abfahrt allerdings noch ein paar mal ändern. Deswegen ist es nicht ratsam viel länger als 30 Minuten vorher da zu sein. In Varanasi sind bei einer Panik mehr als 100 Menschen auf dem Bahnhof totgetreten worden. Ich kann mir gut vorstellen, warum. Es ist nämlich recht voll auf indischen Bahnhöfen. Die Menschen sitzen, liegen und stehen überall, wo noch ein Plätzchen sein könnte. Treppen natürlich eingeschlossen. Kommt der ersehnte Zug dann endlich, ist das Einsteigen (dank der nur spärlich vorhandenen Bremsen) beim hin und herrollenden Zug eine Kunst für sich. Aber es geht schneller als ich vorher erwartet hätte. Die Bahnhofsuhren zeigen alle ihre eigene Uhrzeit. Welche auch immer richtig geht, ich habe es schon erlebt, dass der Zug pünktlich loskam. Mit durchschnittlich 20mal Hupen pro Kilometer geht es mal langsamer und mal tatsächlich schneller durchs Land. Chai Whallas, Railway Catering Service Personal, Kofferträger, Keksverkäufer und noch viel mehr Leute wuseln durch die Wagen. Der Schaffner kontrolliert, die Fahrkarten. Er hat eine Liste (Endlospapier mit Nadeldrucker, wer kann sich erinnern?) auf der Name, Alter, Geschlecht und tatsächlich auch Reiseziel angegeben sind. Durchsagen gibt es nicht. Wann welche Station kommt, muss man halt einfach wissen. Die Türen nach aussen, sind immer geöffnet. Menschen sitzen und stehen dort, um etwas vom umluftartigen Wind abzubekommen. Mal mehr und mal weniger pünktlich kommt der Zug an sein Ziel (bzw an meins) Aussteigen wieder bei vor uns zurückrollendem Zug. Es ist ein Abendteuer. Und wenn ich groß bin, werde ich die Erzählung "Why did the chicken take the Indian train?" schreiben.