22.06.2013

Tanz auf dem Vulkan

Mitten in der Nacht, nein eigentlich noch früher sind wir durch die fast ausgestorbene Stadt gefahren, immer dem Berg entgegen. So langsam kroch dann auch die Sonne neben uns über den Horizont. Ein Frühstücksstopp bei I-HOP (Kategorie: muss man eher nicht wieder hin)und dann links abbiegen und immer tiefer in den Wald rein. Die Straße ist hübsch. Und einsam. Kurz vor dem Nationalpark (der natürlich Eintritt kostet - darüber später mehr) ist der Ort Elbe. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Mitten im "Ort" steht die evangelische Kirche. Steht auch so auf der Kirche drauf. Auf deutsch. Und dann stehen wir in der Schlange, um die Eintrittskarte zu kaufen. Kurz bezahlt und schon haben wir ein paar Prospekte mehr und fahren los zum Infozentrum. Der Parkplatz ist voll, aber wir finden eine kleine Lücke für den grünen Sparky und wandern los. Hier liegt noch tonnenweise Schnee und die Leute sind sehr unterschiedlich ausgerüstet. Von Shorts und Jandals bis zu voller Gletschermontur. Wir liegen mit unserer Ausrüstung irgendwo dazwischen. Immerhin haben wir Wanderschuhe und warme Klamotten und Regenzeug mit. Und Sonnencreme und Sonnenbrille und Proviant. Einzig der Schlitten fehlt. Langsam gehen wir den Berg hoch. Ein ausgetrampelter Schneepfad, seichte Steigung. Herrlich. An der ersten schneefreien Stelle machen wir Pause. Hinter uns pfeift es schrill und durchdringend. Huch? Eine Lawinenwarnung? Oder was soll das sein? Nee, wir sehen keine Lawine. Pfeift schon wieder... Wir gucken und suchen und überlegen. Und da, schon wieder! Einzig ein kleines Murmeltier sitzt unschuldig auf einem Stein. Das kann doch nicht solche Geräusche machen?!?! Und noch mal, dieses mal haben wir das Murmelchen beobachtet, wie es die Zähne zeigt. Das Geräusch kam ganz klar aus seiner Richtung. Wir gehen etwas näher und wieder pfeift das kleine Kerlchen. Laut, schrill, durchdringend. Murmeln tut der bestimmt nicht, der Name ist also falsch. Eigentlich müssten die Tierchen Kreischtier heißen, das wäre sehr viel deskriptiver. Wir gehen weiter den Berg rauf. Es ist ein bisschen anstrengend, der Schnee ist durch die Sonne weich geworden und oft stecken die Füße bis zu den Oberschenkeln fest. Mühsam geht es vorwärts. An einer recht steilen Stelle, bin ich sehr dankbar für den weichen Schnee. Der Weg nach oben ist zwar mehr als doppelt so lang, aber wir kommen sicher hoch. Dann heißt es auf einem schmalen Grat balancieren. Machen wir mit Links. Hier, an der schmalsten Stelle sind Rinnen im Schnee. Es gibt einige Menschen, die freiwillig ihren Kopf riskieren und darunter rutschen. Wir nicht, wir ziehen weiter, den Berg rauf. Schließlich wollen wir bis fast zum Basecamp. Bis ganz hoch dürfen nicht, haben wir dich keine Genehmigung gekauft. Bei gefühlten 10000ft ist Schluss (die genaue Höhe weiß ich nicht, steht halt nicht immer in den Schnee geschrieben). Wir machen eine wohlverdiente Pause und genießen mitgebrachte Brote und die Aussicht. Ich rätsel noch mit der Karte rum, welcher Berg wohl wie heißen könnte, da hat Naemi schon festgestellt, dass wir direkt in den offenen Krater von Mt St Helens gucken können. Ja, stimmt, ich sehe einen halboffenen Berg mit einem schwarzen Hubbel in der Mitte. Das wird der Lavadom im Krater von Helene sein. Wow, was für ein Ausblick. Weitere Berge der Cascades (deren Namen ich alle schon wieder vergessen habe) liegen zu unseren Füßen. Ganz langsam schiebt sich eine Wolke vor den Gipfel - das war nicht abgemacht. Wir stehen mitten im Schnee, haben keinen Helikopterrückflug vorbestellt und jetzt kommt da einfach eine Wolke. Ich versuche es mit allen Mitteln, die ich mir aus den Fingern saugen kann, die Wolke zu vertreiben. Nichts funktioniert. Die Wolke bleibt da, schlimmer noch, sie wird größer und größer und scheint sich direkt um den Berg zu legen. Gut, dann gehen wir halt. Blöde Wolke. Der Rückweg ist gerade zu ein Kinderspiel. Leichtfüßig geht es den Berg runter, der Schnee federt jeglichen Stoß ab. Und dann sind wir plötzlich wieder bei der Stelle mit den Rinnen. Und auf einmal sitze ich in so einer Rinne und Rutsche den Hang runter. Erst denke ich an die armen Neurochirurgen, die meine Wirbelsäule wieder zusammenflicken müssen, dann stelle ich fest, dass es Spaß macht. Ich kann mit den Füßen bremsen und außerdem pflüge ich einen Schneeberg zusammen, der mich nach der Hälfte der Fahrt eh stoppen und neu anfangen lässt. Oh bitte, lass uns noch mal da hoch klettern und noch mal rutschen. Naemi findet, der Weg rauf war zu lang. Also kein zweites mal. Statt dessen geht es weiter den Berg runter, wir wollen wieder Frühling und Sommer haben. Nachmittags sind wir dann auch wieder beim Besucherzentrum. Die Ausstellung zeigt ein bisschen was über Vulkane und ein bisschen was über die Natur hier in der Umgebung. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, die Amerikaner hätten die Vulkane erfunden, so wird es auf jeden Fall präsentiert. So, Nachmittag, was machen wir jetzt? Noch mal wandern gehen? Mit nassen Hosen? Eher nicht. Schnell die trockenen Trainingshosen angezogen, die im Auto warten und auf zur Rundfahrt durch den Park. Wir fahren am Reflection Lake vorbei. Tss, der reflektiert das Sonnenlicht, sonst nichts. Ist ja noch zugefroren. Dass der sich trotzdem Reflection Lake nennen darf. Ich glaube, ich werden den See verklagen. Immerhin hat er mir falsche Tatsachen vorgespiegelt und mich nicht gewarnt, dass ich enttäuscht werden könnte. Reicht doch für mindestens eine großzügige Schmerzensgeldzahlung und ein paar Jahre Gefängnis für den See. Oder?!
Weiter geht es zum südlichen Ende des Parks. Immer wieder phantastische Ausblicke auf den Rainier-Vulkan. Langsam will die Sonne schlafen gehen und der Himmel färbt sich rosa. An einem wunderbaren Aussichtspunkt machen wir einen Abendessenstopp. Risotto im Sonnenuntergang, dazu ist es angenehm warm und die Mücken lassen zumindest Naemi in Ruhe. 
Einen letzten Stopp legen wir nahe des Besucherzentrums ein. Rotorangegoldrosalila verfärbt sich der Himmel und bildet mit Wolken und Berg ein unbeschreibliches Schauspiel. Kaum zu glauben, dass mein Gehirn mit so vielen Eindrücken umgehen kann. Manchmal habe ich das Gefühl, mir platzt der Kopf vor tollen Bildern.