01.07.2013

Die Amerikaner

Als ich überlegt habe, in den Urlaub in die USA zu fliegen, hatte ich starke Zweifel, ob ich mich diesem Blödsinn aussetzen soll. Amerikaner, die sind doch alle oberflächlich, arrogant, halten sich für was Besseres, haben keine Ahnung vom Rest der Welt, fahren riesige Autos und trinken Cola und essen frittiertes Essen mit künstlichen Geschmacksstoffen.  Nochwas? Ach ja, sie greifen immer unschuldige Länder an und foltern politische Gefangene. Warum sollte ich also dahin fahren? Vielleicht behalten die mich gleich da, wenn ich sagen: Israel und Palästina? Oder wenn ich laut denke, dass McDonald gar nicht so gesund ist?
Was solls, ich bin trotzdem ins Flugzeug gestiegen. Habe die gesamte volksverdummende Prozedur mit Passkontrolle und Kreuzverhör in Kauf genommen. Liebe NSA, liebe CIA. Ich finde Euch wirklich zum Knutschen komisch. Nachdem Ihr meine Passwörter gespeichert habt, dürft Ihr jetzt auch speichern, dass ich NICHT zu den Hauptverantwortlichen des Holocaust gehöre und ich nehme auch nicht an einer terroristischen Versammlung teil – führt Ihr denn keine Liste über Eure Mitglieder?
Aber wie sind die Amerikaner eigentlich? Angekommen in Seattle, schienen sich meine Vorurteile zu bestätigen. Übergewichtige Grenzbeamte, die alle nicht-US-Amerikaner für Idioten halten begrüßen mich. OK, überlebt. Die Leute an der Uni sind nett, allerdings auch nicht unbedingt Amerikaner… Wo ich auch hinkomme, sind dicke, cola-trinkende Leute. Überall gibt es Erdnussbutter. Lecker, aber muss die unbedingt in Brezeln drin sein? Bis Naemi mich drauf aufmerksam gemacht hat, habe ich es gar nicht zur Kenntnis genommen, aber es gibt enorm viele Hybridautos. Und ökologisches Essen in den Supermärkten.  Vielleicht sind die Amerikaner doch ein bisschen anders, als ich immer dachte?
Bei der Kajaktour habe ich dann eine Reihe Amerikaner kennengelernt, die wirklich anders waren. Zum einen waren es alles Freizeitsportler, weder extrem dick, noch extrem sportlich. Halt so ganz normal. Eines Abends saßen wir am Lagerfeuer zusammen und haben s’mores gegessen. Gegrillte Marshmallows in die ein Stück Schokolade gesteckt wird (das schmilzt auch ein bisschen) und dann wird das Ding zwischen zwei Cracker gelegt. Die heißen s’more, weil man unbedingt some more möchte. Stimmt, die waren gut. Die Gruppe stellte fest, dass ich alles wichtige amerikanische jetzt erlebt hätte. Ich habe s’mores gegessen und Pfannkuchen. Ich habe Berge gesehen, Seattle und das Meer. In deren Augen könnte ich ein richtiger Amerikaner werden. Wow, you have done everything tob e a real American. Congratulations! No, wait. Invade an innocent country and kill the civilians, THEN you are a real American.  Joa, so kann man es auch ausdrücken.
Gelernt habe ich viel in diesem Urlaub. Besonders über „die Amerikaner“, die es natürlich genauso wenig gibt, wie „die Deutschen“. Einige meiner Vorurteile haben sich bestätigt, andere haben sich in Luft aufgelöst. Leider haben die bestätigten Vorurteile nicht dazu beigetragen, dass ich meine Meinung über die USA wirklich ändern konnte. Ich habe zwar nette Leute kennengelernt, die nicht regimetreu sind, aber … Dauert ja noch ein Jahr, bis ich wieder in die USA fahren werde.