07.08.2014

Eine Reise durch die Geschichte

Den ganzen ersten Tag bin ich durch Thamel (das Touristenviertel) und den Old Bazar gelaufen und habe geguckt und gestaunt. Es ist warm. Der europäische Wetterbericht muss noch ordentlich dazulernen, wenn es um die Temperaturangaben geht. Statt der versprochenen 23°C sind es eher 35°C. Die Regenmenge hingegen stimmt. Allerdings sehr konyentriert und nur nachts - welch ein Glück! Mein erstes Abendessen waren Momos, kleine tibetische Teigtaschen, die gedämpft werden und soooooooo lecker sind. Davon könnte ich noch ne ganze Menge mehr essen.
Das Guest House hat feste Zeiten für Strom und für keinen Strom. Immerhin kann ich mich so drauf einstellen, wann das Licht geht und wann nicht. 
Nach einer lauen Nacht, mit beruhigendem Regengeprassel, genieße ich ein sehr europäisch aussehendes, aber fremdartiges schmeckendes Frühstück. Gut gestärkt, treffe ich mich mit einem Cityguide, der mir die wichtigsten Tempel zeigen soll.
Unser erstes Ziel ist Swayambhunath, der Tempel ist auch als Affentempel bekannt und einer der größten buddhistischen Tempel Nepals. Zum eigentlichen Gelände, führen 365 Stufen, exakt die Anzahl der Tage eines Jahres. Falls man nicht jeden Tag zum Tempel gehen kann, reicht einmal im Jahr  - dann halt 365 Schritte. Na wenn das so ist... Schnell verstehe ich auch, warum der Tempel Affen Tempel genannt wird. Hier sitzen und laufen und hüpfen überall Affen herum. Ja, echte richtige, freilebende Affen. Die sind heilig hier an diesem Hügel und keiner darf ihnen was tun. Gut so! Die Affen sind übrigens der Legende nach, verwandelte Kopfläuse. Na lecker... Die Studen sind wir schnell hoch gelaufen und mir ist schon schön warm. Ursprünglich war das Kathmandu-Tal mal ein See, der dann von einem chinesichen Mönch (?) Manjushri der Stöpsel gezogen wurde und das Wasser abfloss (etwas mehr wissenschaftlich wohl eher ein Erdbeben, das einen natürlichen Damm zerstört hat). Auf jeden Fall ist das Kathmandu Tal entstanden und noch heute da. Der Tempel ist aus einer Lotusblüte entstanden und ebenfalls noch heute da. 
Ja und ich stehe nun da. Weiß nicht so richtig, was ich denken und fühlen soll. Ehrfurcht, Freude, Neugier. Irgendwas dazwischen auf jeden Fall. Und alles gleichzeitig auch. Hier gibt es soooo viel zu sehen und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, zu gucken. Vielleicht bei den Gebetsmühlen und Mani Tafeln. Die Gebetsmühlen enthalten die 108 wichtigsten Gebete und jedes mal, wenn man sie dreht (natürlich nur mit der rechten Hand, deswegen immer nur im Uhrzeigersinn rumgehen!!) hat man gleich alle gebetet. Praktische alle diese Abkürzungen. Die Mani Steine. Das Mantra Om Mani Padme Hum ist auf die meisten geschrieben und eigentlich betet man es, wenn man an den Steinen vorbeigeht. 
Im Zentrum des Platzes ist eine Stupa, ein Aufbewahrungsplatz für Reliquien. Meistens sind es Hügel/Halbkugeln in denen die Reliquie liegt. Auf dem Hügel ist ein Symbol für die Erleuchtung, 13 Stufen, Ringe oder ähnliches. Oft sind auch Buddhas 3 Augen draufgemalt. In Gold leuchtet der Aufbau und es wuselt. Überall sind Menschen und wuseln um mich herum. Einige arbeiten, andere gucken ihnen beim arbeiten zu und weitere gucken denen, die zugucken, beim zugucken zu. Touristen, machen Bilder und staunen, Pilger drehen die Gebetsmühlen und zünden Butterkerzen an und Mönche laufen von einer Ecke in die andere. Dazwischen sitzen Souvenirverkäufer und Opfergabenhändler. Ein bisschen muss ich an die Geschichte denken, als Jesus die Händler aus dem Tempel gescheucht hat. Ich finde, Souvenirverkäufer, die T-Shirts und Kühlschrankmagnete anbieten, haben in einem Tempel nichts zu tun. Ich kaufe auf jeden Fall nichts und versuche mich nicht stören zu lassen.
Hier in/auf Swayambhunath gibt es auf jeden Fall ein Kloster, das wir besichtigen können. Also Schuhe aus und staunen. Andächtig stehe ich in diesem Tempel, neben mir sitzt ein Mönch und liest murmelnd in einem heiligen Buch. Ich halte die Luft an und versuche, dieses Gefühl hier zu sein, zu konservieren. Ich hoffe, es gelingt mir. In einem kleinen Häuschen, hängt eine große Gebetsmühle, bewacht wird sie von einem kleinwüchsigen Geschwisterpaar - die natürlich etwas für das Bewachen haben wollen. Ich komme mir vor, wie in einem schlechten Film, schüttel die Gedanken an "Behindertenaustellungen" ab und gehe weiter. In einem verkommenen Häuschen, sind Statuen ausgestellt. Schade, dass die nicht erhalten und schön dargestellt werden. Die Statuen hätten es wohl verdient.
Nach über 2 Stunden intensiven Guckens, gehen wir weiter, die Stufen auf der anderen Seite der Anlage runter. Da werden wir abgeholt und fahren rund eine halbe Stunde durch den dichten Verkehr. Und dann halten wir am Ufer des Bagmati Flusses. Der heiligste Fluss Nepals. Eher unscheinbar wirkt der Eingang zum Pashupatinath Tempel. Nach einem buddhistischen, jetzt ein hinduistischer Tempel. In den eigentlichen Tempel dürfen Nicht-Hindus nicht rein. Hin und wieder beschleicht mich der Gedanke, dass Hindus Angst haben, dass Nicht-Hindus ihnen den Glauben klauen... Ich will nichts klauen oder abgucken oder kaputt machen und begnüge mich mit einem Blick durch die Tür. Ich sehe das Hinterteil von Shivas Ochse Nandi. Die ganze Tempelanlage ist Shiva gewidmet. Im Hinduismus, lerne ich, gibt es über 333 Millionen verschiedene Götter und Göttinnen. Die haben alle ihre persönliche Aufgabe. Aber letztendlich fällt alles auf 3 Götter zurück. Brahma der Schöpfer, Vishnu der Erhalter und Shiva der Zerstörer. Und eigentlich kann Shiva sich auch in Brahma und Vishnu verwandeln - also gibt es vielleicht doch nur einen Gott im Hinduismus. Aber warum ausgerechnet derjenige, der als der Zerstörer bekannt ist? Wieder mal bin ich dankbar, kein Hindu zu sein. Vielleicht verstehe ich aber auch nicht genug vom Hinduismus, um ihn entsprechend würdigen zu können?

Während ich noch über Religion im Allgemeinen und Speziellen nachdenke, sind wir am Fluss angekommen. Da ist eine überdachte Uferpromenade, wo viele Leute rumstehen. Und es liegen große Holzstapel rum. Das ist doch wohl nicht? Oder doch? Vielleicht?? Aber die werden doch nicht? Doch, es sind Ghats, die Kremierungsstätten. Jetzt stehe ich auf der anderen Seite des Bragmati Flusses und Nepal und gucke bei Bestattungen zu. Ist das die Realität oder wache ich gleich auf? Nein, ich merke, wie die Sonne brennt. Ich bin wohl wach. Wieder weiß ich nicht, wo ich zuerst hingucken soll. Soll ich zu den Kremierungsstätten gucken oder zu den Waschungen. Die Verstorbenen werden hier im Fluss erstmal gewaschen. Also die Füße ins Wasser, der Kopf wird mit heiligem Wasser aus dem Tempel gewaschen. Und dann werden die Leichen dekoriert und mit Blumen geschmückt. Zum Anzünden bekommen sie ein Büschel Stroh (und ein bisschen Benzin) in den Mund gesteckt. Die Witwen dürfen sich übrigens nicht mit auf den Scheiterhaufen legen. Die Witwenverbrennung ist in Nepal inzwischen verboten... Ich muss meinen Kopf kaum drehen, um die Höhlen der Yogis, Sadhus und andrer Asketen zu sehen. Den Kopf in die andere Richtung gedreht und ich sehe Shiva Tempel mit Lingas. Eines der Shivasymbolen. Davon gibt es in dieser Tempelanlage mehrere. 
Inzwischen ist es brütend heiß und ich sehe mich nach ein bisschen Schatten, einem Becher Tee und einer Runde Schlaf. Das kommt später, jetzt fahren wir erstmal zu einem weiteren buddhistischen Tempel. 
Boudhanath ist einer der größten Stupas Nepals, vielleicht sogar die größte. Völlig unscheinbar hinter Häusern versteckt, ist dieses Kunstwerk. Ich hätte das nie im Leben gefunden. Einzig der Kartenverkäufer ist als Hinweis auf dieses Wunderwerk. Auch hier liegen wieder Reliqiuen drin versteckt. Eine große Halbkugel auf der diese 13 Stufen, die Augen Buddhas und ganz, ganz viele Gebetsflaggen und -mühlen sind. Nach dem ersten Umrunden des Stupas, bin ich immer noch überwältigt von dessen Anblick und möchte noch mal rumgehen. Kein Problem, so lange ich mich an den Uhrzeigersinn halte. Ein Besuch in einem der umliegenden Klöster, einer der jungen Mönche möchte mir gerne den Hauptgebetsraum zeigen. Gerne, den gucke ich mir an. Bunt ist es, sehr bunt. Und für meinen Geschmack sind die Gemälde sehr naiv. Und fremdartig, so viele Figuren, Götter und vorne guckt Buddha tiefenentspannt zu.
Ich bekomme eine Kurzeinführung im meditieren und versuche es. Lange kann ich mich nicht völlig ausschalten und mein Bauch meditiert auf ganz eigene Weise mit deutlichen Knurrgeräuschen. Ich habe Hunger! Um den Besuch in Boudhanath abzurunden, gehen wir essen. Ich versuche mich an einem Gericht mit Soyabohnen und Erdnüssen in Chilisauce und Hühnchen, in der gleichen Sauce. Leeeeeecker. Davon könnte ich mehr essen. Dipack, der Guide guckt mit großen Augen, als ich mit gutem Appetit das Essen genieße. Er sagt, ihm wäre das zu scharf gewesen. Ich fand es lecker...