01.07.2016

Unterwegs in der Wüste

Die Entscheidung nach Mustang zu fahren, hatte mehrere Gründe. Zum einen hat mich die Gegend vor 2 Jahren sehr fasziniert, zum anderen liegt Mustang im Regenschatten der Anapurna-Kette. Und das ist mitten im Monsun unendlich viel wert. Nach der etwas etwas längeren Anreise, würden ein paar Tage laufen wirklich gut sein. Also los. Ich frühstücke im Hotel und dann ziehen wir los. Kommen am Litlle Asia Hotel vorbei - etwas anders als in meiner Erinnerung, aber könnte schon stimmen, über die Brücke durch das weniger touristische Jomsom und dann sind wir auf dem Weg. Der Weg, führt wie beim letzten mal, am Fluss entlang. Dieses mal kein Tee im Ekle Bhatti Hilton Hotel. Dafür eine Pause in Kagbeni. Das Mittagessen besteht aus Kartoffeln. Angeblich eine der Hauptenergiequellen hier. Mal sehen, wie es weiter geht. Eigentlich sollten wir hier übernachten. Aber um 11.00 schon am Tagesziel zu sein, kommt mir merkwürdig vor. 

Ich will lieber weitergehen. In Kagbeni müssen wir uns am Ortsausgang registrieren. Die Prozedur hat sich in den letzten 2 Jahren nicht verändert, es gucken immer noch 2 zu, wie der eine registriert und den 2 Kontrolleuren, gucken wiederum 4 weitere zu. Ich gucke mir derweil die Straße vor dem ACAP-Office an. Eine Mani-Wand teilt die Straße. Ich mag diese Gebetsmühlen so gerne angucken. Die sind so fremd, so faszinierend und irgendwie haben die was beruhigendes. In jeder Gebetsmühle sind die 108 wichtigsten Mantras aufgeschrieben und aufgerollt. In den größeren gleich mehrfach, in den kleineren eben nur einmal. Am Ende der Straße haben 3 Frauen angefangen die Spreu von der Gerste zu trennen. Auf einer großen Plane ist das Getreide aufgehäuft. Immer wieder füllen sie kleine Portionen der Körner auf eine Art Tablett. Dann werfen sie die Körner in die Luft. Der Wind pustet die leichte Spreu weg, während die schweren Körner zurückbleiben und wieder auf das Tablett fallen. Die So gereinigten Körner werden auf einen Haufen geleert und die Prozedur geht von neuem los. Ganz schön viel Arbeit für so eine bisschen Korn. Gerne wäre ich geblieben und hätte weiter zugeguckt. Aber wir wollen weiter. 

Der Weg führt uns Richtung Tibet. Nilgiri bewacht uns auf dem Weg. Hin und wieder guckt auch Muktinath Peak durch die Wolken. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm und der Wind pustet mir in den Rücken. Damit kann ich leben. Nach der langen und anstrengenden Steigung am Anfang des Tages, hatte ich gehofft, es würde weniger bergauf gehen. Aber scheinbar geht es nur hoch. Dabei sollen wir doch gar nicht so hoch kommen. Nur 4230m - gefühlt sind wir mindestens schon 5000m hoch. Nach einer langen Steigung kommt ein Plateau, eine Vidde. Hä? Ist das da ein Zaun? Hier steht Nepals höchste Apfelfarm. Sieht allerdings nicht gerade bewirtschaftet aus. Die Bäume sind kaum zu erkennen und die Scheiben am Kontrollhäuschen sind eingeschlagen. Der Ausblick ist allerdings wirklich schön und so machen wir eine kurze Pause hier, essen einen Apfel, auch wenn der nicht von der Farm hier kommt. Der Weg geht runter, fast ein bisschen zu steil. Ich bin lieber auf der Straße gegangen, um den fast senkrechten Pfad zu umgehen. Plötzlich ist da eine Bewegung am Hang. Erst ganz undeutlich, dann etwas besser zu erkennen. Mama Reh (oder sowas in der Art) und ihr Kind hoppeln über die Straße und lecken hier und da an einem Stein. 
Mittlerweie bin ich ziemlich kaputt und freue mich auf eine Dusche. In Pokhara hatte ich die grandiose Idee, etwas Gutes für die Gemeinschaft zu tun und habe mich von den Helping Hands massieren lassen. Leider hat die Frau das Öl mehr oder weniger nur auf meinem Kopf verteilt und das laukalte Wasser im Hotel hat auch bei dreimaligem Haare waschen nichts weiter gebracht, als das Öl möglichst tief in den Haaren einwirken zu lassen.
 
Gegen 17 Uhr sind wir in Chucksang. Das Hotel ist sauber und freundlich. Ich sitze erst eine Weile im Aufenthaltsraum und schreibe ein paar Zeilen ins Tagebuch. Dann ist das Wasser aufgeheizt und ich bezahle brav die 200 Rupees, um zu duschen. In meiner Erwartung ist die Dusche ein kleines Rinnsal mit lauwarmen Wasser. Umso überraschter bin ich, als mich ein kräftiger Strahl mit richtig warmen Wasser trifft. Nach 2 Runden ist sogar das Öl ausgewaschen und ich kann mich dem wirklich Wichtigen widmen, Essen! Es gibt Dal Bhat und ich bin zufrieden. Ein kurzer Abendspaziergang durchs Dorf rundet diesen Tag ab. Wie es im Urlaub so ist, liege ich schon bald selig schlummernd im Bett.

Von Chucksang soll es weitergehen nach Syangboche. Die phonetische Übertragung von tibetischen/nepali Namen in europäische Sprachen ist nicht immer einfach. Die Buchstaben B und M liegen in der hiesigen Sprache so dicht beeinander, dass man unmöglich sagen kann, das es eindeutig das eine oder das andere ist. Also wird der Ort auch mal als
Syangmoche bezeichnet. Wichtig ist vor allem, dass wir dort hinkommen. Aber das sollte kein Problem sein. Die Wege sind breit und gut zu laufen. Eigentlich gehen wir die ganze Zeit auf der Straße. Die hist hier halt ein Schotterweg. Ab und zu gibt es Fussgängerabkürzungen, die etwas steiler den Berg raufführen und nicht in langen Kurven.
Eine Weile begleitet uns der Kali Gandhaki Fluss, bevor wir (oder er?) abbiegen. In den Felsen sind immer wieder kleine Löcher, die bei genauem Hinsehen gar nicht so klein sind, sondern die Fenster von Höhlen. Die Höhlen wurden wohl als Meditationsort geschaffen und später von tibetischen Freiheitskämpfern für als Versteck genutzt. Ich kann mir vorstellen, dass die Höhlen auch mal als Aufenthaltsraum/Wohnung genutzt wurden. Aber darüber stand nichts im Reiseführer. Es geht mal wieder bergauf und ich will schon protestieren, dass wir jetzt doch nicht mehr weiter hoch können, wenn wir angeblich nur
knapp über 4000m sollen. Wir waren doch auf jeden Fall bei 3700m in Chucksang. Bald sehe ich Gebetsfahnen, die über eine Steinhaufen gespannt sind. Hier ist also eine Pass und gleich wird es wieder runter gehen. Oben auf dem Pass eine kurze Pause. Ein bisschen was trinken, einen Keks essen und weiter. In der Ferne sind Gletscher zu sehen. Die stehen schon auf der anderen Seite der Grenze - in Tibet. Zu gerne würde ich da auch mal hingehen. Nicht fahren, nicht fliegen, nein Laufen. Auch wenn ich immer wieder daran zweifel, ob es eine gute Idee ist, zu laufen, weil mich Steigung und drückende Steine völlig fertig machen, bin ich am Ende des Tages so angenehm erschöpft, dass ich freiwillig um 20 Uhr ins Bett gehe und tief und fest bis zum nächsten Morgen schlafe. Das ist wirklich Erholung pur. Besser könnte es nicht sein. 

Ok, aber der Pass, der eigentlich keiner ist. Oder sich zumindest nicht so anfühlt. Allerdings hat sich die Landschaft radikal verändert seit wir auf dem höchsten Punkt der Straße waren. Plötzlich ist es viel grüner geworden. Oder zumindest stehen deutlich mehr Pflanzen herum. In Ghami machen wir Mittagspause. Hier ganz in der Nähe ist die längste Manimauer in ganz Mustang. Von Ghami muss ich erst durch ein Flusstal. Diese Dinger haben es echt in sich. Erst steil bergab,dann über ein Rinnsal von Fluss und dann die ganze Strecke wieder bergauf. Und dann stehe ich plötzlich vor der Wand. Vielleicht 100m lang streckt sich diese Mauer durchs Gelände. Die obere Hälte besteht auch Manisteinen mit den wichtigsten Mantras: Om Ma Ni Padme Hum steht auf jedem Stein drauf. Ich habe nicht gezählt, aber es sind viele, sehr, sehr viele Steine. Wenn ich tatsächlich jedes mal gebetet habe, wenn ich an so einem Stein vorbei komme, dann habe ich viel gebetet.
 
Am Ortsein- und ausgang stehen oft Stupas oder Chorten. Die sind hier mit natürlichen Erdfarben angemalt, weiß, rot, gelbbraun. Passt gut in die doch recht karge Landschaft. Ich weiß nicht genau warum, aber diese Wüste gefällt mir. Keine Bäume die mir die Sicht nehmen, nur Sträucher und Sukkulenten. Hin und wieder mal ein Löwenzahn. Yaks und Ziegen kreuzen den Weg. Eine Ziegenherde ist so groß, dass wir stehen bleiben müssen, um sie vorbei zu lassen. Der ihnen folgende Hirte geht mit der Herde zu den Futterplätzen. Jeden Tag, bei jedem Wetter. Und immer begleitet von den gigantischen Bergen des Himalaya. Die müssen ganz schön mit sich im Reinen sein, soviel Zeit, wie die hier in der Einsamkeit, nur mit den nichtsprechenden Tieren verbringen. Ich glaube, als Ziegen- oder Schafhirte könnte ich mir auch einen Urlaub vorstellen. Den ganzen Tag draußen und in Bewegung mit den Tieren. Aber eben nur als Urlaub, für eine begrenzte Zeit. Ich schreibe das mal auf die Bucketlist.