Strahlend blau ist der Himmel über mir, keine Spur von den dicken grauen Wolken, die bis vor kurzem der Sonne den Weg auf die Erde verdeckt haben. Ich bin jeden Tag, jede Stunde, jede Minute wieder fasziniert von den Gesteinsformationen, die alle paar
Augenblicke wechseln. Mal sieht es aus, als wäre das lose Gestein rund um säulenartige Gebilde, einfach weggeräumt worden. Da stehen eben nur überdimensionierte Tannenzapfen aus Stein im Berg. Dann wellt sich der Berg als wäre er aus Samt und Seide. Und dann wieder schneidet ein Fluss einen tiefen Canyon in das Plateau, das kurz darauf endet und in einer sanften Steigung zum nächsten Pass führt. Wenn ich mich einfach nur um sich selbst drehe, habe ich das Gefühl, eine Reise durch die verschiedensten Länder und Landschaften dieser Welt zu reisen, so unterschiedlich sind die Formationen rund um mich herum.
Auf dem Weg liegt die längste Mani-Wand in Mustang. Ich habe nicht nachgemessen, aber lang ist sie auf jeden Fall. Beim daran entlang gehen, habe ich es gar nicht so wahrgenommen, erst später von etwas weiter weg.
Der Ort Chharang ist bekannt für das Kloster und den ehemaligen Köngispalast. Mustang ist
ein nicht ganz ehemaliges Königreich. Der König hat nur noch eine formelle Bedeutung und außerdem lebt er in
Pokhara, weil das Klima für den Greis dort angenehmer ist. Die Regierung in Nepal, sowohl die alte Monarchie als auch die aktuelle Demokratie dulden das Königreich der Tibeter, das zufälligerweise in den aktuellen Grenzen von Nepal liegt. Der Staat Nepal profitiert sehr von diesem kleinen, geheimnisumwobenen Königreich. Jeder Tourist, der Mustang betritt, muss 500US$ an den Staat zahlen. Ein bisschen geht davon an Mustang, das meiste in irgendwelche schwarzen Koffer und ein bisschen an den Staat Nepal.
Von Chharang ist es nur noch ein Katzensprung nach Lo Manthang. Lo Manthang ist das Zentrum, das Herz und die Hauptstadt von Mustang. Der Name Mustang ist wohl ein nepalisches Missverständnis von Lo Manthang. Lo Manthang hat eine ummauerte Innenstadt in der das Herzstückt, das Kloster und der Königspalast liegen. Viele
Restaurants und Hotels reihen sich um die Stadtmauer. Im Hotel trifft sich Abends die Jugend zum Mittagessen. Die Stimmung ist fröhlich und ausgelassen. Ich unterhalte mich lange mit einem Nepali, der zur Zeit des Bürgerkriegs nach Belgien geflohen war und dort von seinem 6-25. Lebensjahr gelebt hat. Nach dem Studium ist er zurück nach Nepal gezogen, hat das sichere Europa hinter sich gelassen und stellt sich nun den Herausforderungen des Alltags in Jomsom. Er hat eine Apfelfarm, eine Motorradwerkstatt und einen Laden, in dem er alles mögliche verkauft. Um für diesen Laden Nachschub zu besorgen ist er hier. Auf der tibetischen Seite der Grenze ist ein Markt. Man kann einen Tagespass für den Grenzübertritt kaufen. Die chinesischen Grenzbeamten behalten allerdings den Reisepass, bis man wieder ausreist. Mein Gesprächspartner lacht kurz, seinen belgischen Pass würde er für so eine Aktion niemals benutzen. Immer nur den nepalischen. Der sei so wenig wert, den wollten nicht mal chinesische Grenzbeamten haben.