28.05.2009

Good Morning Vietnam

Es war wirklich ein gutes Gefühl am Flughafen von jemandem abgeholt zu werden. Und morgens mit Menschen zu frühstücken, die sich tatsächlich dafür interessieren, ob ich gut geschlafen habe. Und abends "nach Hause" zu kommen ist eine der besten Erfahrungen, die ich je gemacht habe! Ein paar Tage Entspannung bei Nicky und Clive, war das schön!

Ich habe aber nicht nur bei Nicky in der Wohnung gesessen und den Ausblick aus dem 18. Stock genossen. Saigon oder Ho Chi Minh City hat ja noch deutlich mehr zu bieten. Es gibt viele kleine Straßen zu begucken, Märkte zu erkunden, Museen zu entdecken und ganz viel Leben auf der Straße zu bestaunen. Ich habe einen ganzen Tag die Geschichte Vietnams entdeckt. Aus dem Jetzt (schickes Appartment mit Klimaanlage) bin ich mit dem Motorradtaxi ins sympathische Chaos der vietnamesischen Metropole mal gemütlich getuckert, mal abenteuerlich schnell gerast. Aber mit Helm und Mundschutz (wegen der Luftverschmutzung) kann ja nichts passieren. Der Wettermacher hat leider genau in dem Moment, als ich vor der Kathedrale stand, ein kleines Schauspiel präsentieren wollen und einen tropischen Regenguss geschickt. Der dauerte leider länger als erwartet und ich bin in strömendem Regen zum Wiedervereinigungspalast getapert. Meine Tasche wurde auf Feuerwaffen und Durians (Stinkefrüchte) untersucht und für nicht gefährlich befunden. Ich durfte also das sozialistische Bauwerk betreten. Der als Dokumentation betitelte Film wäre bei uns unter dem Namen sozialistische Propaganda verboten worden. Aber ganz spannend, das zu sehen und zu hören. Der Rundgang durch den Palast, der den wunderschönen Baustil der 60er Jahre repräsentiert, war wie ein Rückblick in vergangene Zeiten. Wäre ich nicht sicher, dass ich in Vietnam bin, hätte ich schwören können, dass gleich Herr Honecker um die Ecke kommt und mit charmantem DDR-Slang nach meiner Parteitreue fragt. Alle Bilder, die ich aus der DDR im Kopf habe, sind 100% deckungsgleich mit diesem „Palast“. Eine wirkliche Zeitreise in eine nicht mehr existente Welt. Halt, nein! Hier ist der Sozialismus ja noch aktiv. Der offizielle Name des Landes lautet ja auch: Sozialistische Republik Viet Nam. Ich bestaune die vielen roten Flaggen, die dezent amerikanisch anmutenden Beleuchtung. Die natürlich keine kapitalistischen Symbole zum Blinken bringt, sondern Hammer und Sichel... In weiterhin strömendem Regen quatsche ich zum War Remnants Museum. Vorbei an sowjetischen Panzern (gute Panzer) und amerikanischen Hubschraubern (böse Hubschrauber) komme ich zum Eingang. Zum Eingang in eine Kammer des Schreckens. Auf einfache und brutal einprägsame Weise wird hier der Vietnamkrieg aus vietnamesischer (Opfer-) Sicht dargestellt. Originalfotos zeigen die dunkelsten Seiten der menschlichen Ideen. Ich muss sagen, die Amerikaner haben wirklich gut aufgepasst im 2. Weltkrieg. Alle Foltermethoden, die mir im Zusammenhang mit Nazideutschland, Hitler und KZ in den Sinn kommen, wurden im Vietnamkrieg wieder ausgepackt und während der Anwendung perfektioniert. OK, die Sichtweise ist hier sehr einseitig. Die Vietcong werden als Helden und gleichzeitig als Opfer gesehen. Als hätten sie nie etwas böses gemacht. Ob das so ganz stimmt, sei dahingestellt. Für jeweils 10 tote Amerikaner gab es einen Orden. Naja... Wirklich schockiert haben mich die Berichte der Zivilbevölkerung. Das 10-jährige Mädchen, das den Soldaten am Hosenbein festhält (das Foto hängt im Museum), als wollte sie ihn davon abbringen ihren Vater zu erschießen. Oder die Kinder, die tagelang in der Regentonne ausgeharrt haben (die Regentonne steht im Museum), dann von Soldaten gefunden und gezwungen werden, der Hinrichtung ihrer Großeltern zu zugucken. Das ganze Museum ist voll von Geschichten, wie diesen. Eine weitere Ausstellung zeigt die Auswirkungen von Dioxin in Folgegenerationen. Nicht nur amerikanische Soldaten sind/waren betroffen, sondern vor allem die Bauern, die in den Wäldern lebten, bevor ein hochkonzentriertes Dioxingemisch, bekannt als Agent Orange, die Wälder zu Wüsten und die dort lebenden Menschen über Generationen zu Mahnmalen machte. Noch heute werden überdurchschnittliche viele Kinder geboren, deren Behinderung auf eine Dioxinvergiftung hinweist. Entschädigungen gibt es nicht.

Da es schon Mittagszeit war, wurde ich dezent heraus gebeten, bevor ich auch nur die Hälfte des Museums angesehen hatte. Dann komme ich eben ein anderes mal wieder. In jetzt dampfender Hitze bin ich weiter Richtung Sai Gon River gelaufen. Ein bisschen hat mich die schwappende Flüssigkeit an den Ganges erinnert. Farbe und Vielfalt der Müllarten waren in beiden Flüssen gleich. Nur der Geruch des Ganges erinnert eher an Verwesung, während der Sai Gon River nur säuerlich gärend riecht.

Beim Rathaus ist eine Ausstellung zum Thema Ende des Krieges, der hier Amerikakrieg heißt. Moderne Künstler haben ihre Bilder (wohl eher Kopien ihrer Bilder) vor dem Rathaus zum Angucken freigegeben. Die Zeit rast an mir vorbei und ich merke gar nicht, dass es schon langsam Zeit wird, zu Nicky zurückzufahren. Ich habe nämlich den einzigen Schlüssel zur Wohnung. Wenn nicht gerade die Haushälterin da ist (die einen eigenen Schlüssel hat) kann keiner in die Wohnung. Auch im dichten Feierabendverkehr funktioniert das Prinzip Motorradtaxi sehr gut. Rote Ampeln gelten nur fürs geradeausfahren. Will man rechts abbiegen, ist es jederzeit möglich. Zeitgleich mit Nicky komme ich „zu Hause“ an.Auf uns wartet ein köstliches Abendessen, denn Hang, die Haushälterin kann mit dem 2-Flammen-Gaskocher wahre Wunder vollbringen!!!