28.05.2009

Ideen muss man haben...


Um noch mehr über den Krieg zu erfahren, bin ich zu den Ch Chi Tunneln gefahren (auf den Vokalen sind noch Akzente, aber ich weiß nicht mehr welche). Es ist nicht nur ein Tunnel, sondern ein mehrere hundert Kilometer langes Netzwerk, das die Vietcong genutzt haben, um gegen die Amerikaner zu kämpfen. Oh ja, auf dem Weg zu den Tunneln musste ich einmal umsteigen. In der Nähe des Umsteigeortes ist einer der größten Tempel des Caodaismus. Die Vietnamesen haben hier einfach mal eine neue Religion gegründet, die Elemente aus vielen Religionen enthält. Der Tempel hat 2 Türme mit Glocken, wirkt also ziemlich christlich, dann sind aber wieder goldene Drachen in den Säulen zu finden, Knallfarben erinnern mich an die indischen Hindutempel und die blau gestrichene Decke des Tempels erinnert mich an die Ansgarkirche. Die Sitzordnung ist geschlechtergetrennt, wobei Männer und Frauen die gleiche Kleidung anhaben. Abgesehen von ein paar Priestern, die in sattem rot, tiefen blau und sonnigem gelb unterwegs sind, tragen alle eine weiße Hose und ein langes weißes Oberteil. Einige haben spezielle Hüte auf. Jeden Tag um 12 ist hier Gottesdienst. Zuschauer sind willkommen, dürfen aber nicht in den eigentlich Kirchraum, sondern müssen von einer Art Balkon die Zeremonie verfolgen. Ein Chor singt eine Mischung aus (für meine Ohren) typisch vietnamesischer Musik und christlichen Chorälen. Immer wieder verneigen sich die anwesenden Gläubigen. Jetzt sieht es aus, wie in einer Moschee, wenn alle sich verneigen. Eine interessante Religion, wirklich. Victor Hugo ist übrigens einer der Heiligen der Caodaisten. Warum? Naja, er ist eben schon tot und hat Geschichten über arme Leute geschrieben. Reicht doch als Grund zur Heiligsprechung, oder?! Mit einem etwas kleineren Bus bin ich in die Cu Chi Provinz gefahren. Mit einem Motorradtaxi weiter zu den Tunneln. Ich hatte Glück und habe eine Gruppe gefunden, der ich mich anschliessen konnte. Dass man die Tunnel nicht alleine angucken kann, habe ich nämlich nirgendwo gelesen. Erst sollten wir eine Dokumentation sehen. Ich verstehe unter Dokumentation eine geordnete Darstellung von Ereignissen. Nicht eine Hetzkampagne gegen alles amerikanische. Amerikaner wurden grundsätzlich als „unsere Feinde“ bezeichnet, die Vietcong als Helden des Alltags und des Krieges. Zugegeben, die waren schon sehr schlau, die kommunistischen Kämpfer. Die Vielzahl an Fallen, die sie gebaut haben, deutet auf jeden Fall auf viel Kreativität hin. Simple Bambusfallen (Loch graben, angespitzte Bambusstöcke mit der spitzen Seite nach oben reinstecken, mit Laubbedecken und abwarten, dass ein Feind vorbei kommt), schwingende Speere in Türrahmen, Falltüren und eben die Tunnel. Eine ganze Stadt unter der Erde. In 3 Etagen verläuft dieses System. Bis zu 15m tief unter der Erde gab es alles, was man sich vorstellen kann. Küche, Versammlungsräume, Lagerräume für Lebensmittel und Waffen, Schlafzimmer, Krankenzimmer, Waffenfertigungsecken und wieder mal Fallen. Ein winzig kleiner Teil des Tunnelsystems ist für Besucher zugänglich gemacht. Hier werden täglich Spinnen, Schlangen und Skorpione entfernt. Außerdem ist Licht vorhanden. Und es sind nicht die kleinsten Tunnel... Ich habe bequem durchgepasst, wenn ich entweder auf allen Vieren gekrabbelt bin oder in der Hocke vorwärtsgerutscht bin. Die Vietcong wussten natürlich, dass der durchschnittliche Amerikaner etwas breiter war, als der Durchschnittsvietnamese (der damals kleiner als 1,60m war), so haben sie Engpässe in die Tunnel eingebaut, in denen die Amerikaner stecken geblieben sind. Das ganze Tunnelsystem ist unglaublich faszinierend. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Menschen es wochenlang unter der Erde ausgehalten haben. Ich war nach 10 Minuten froh, wieder draußen zu sein, frische Luft zu atmen und die Kühle der Tropen genießen zu können. Im Tunnel ist es nämlich eher warm... Die Kochstätten lagen auch unterirdisch. Um sich nicht durch den Rauch zu verraten, wurden Bambusrohre als Schornsteine benutzt. Von einer Kochstelle gingen immer mehrere Bambusstangen nach draußen. Und zwar in verschiedene Richtungen und über Distanzen von 10m und mehr. Selbst wenn dann irgendwo mal Rauch zu sehen war, konnte keiner auf den Tunneleingang schließen. Um die Hunde der Amerikaner in die Irre zu führen haben die Tunnelbewohner Kleidung gefallener amerikanischer Soldaten gesammelt und im nicht mehr belaubten Wald verteilt. So glaubten die Hunde immer, es seien nur Amerikaner unterwegs. Ich war froh, abends wieder in Saigon zu sein und nicht in einem Tunnel schlafen zu müssen.