02.07.2009

Bienen & Kiwis, Wind & Sonne, Fish & Chips

Nachdem Wellington mich mit eher trüben Regenwetter empfangen hat, konnte es ja nur besser werden. Ich habe auf jeden Fall fest daran geglaubt. Und da der Glaube ja nicht nur Berge versetzt, sondern auch Wolken vergrätzt, war ab meinem 2. Tag in Wellington schönstes Winterwetter. Blauer Himmel, kein Regen und wenig Wind. Ich habe eben einen guten Einfluss auf das Wetter. Obwohl ich bei jedem Wetter schon schlechte Erfahrungen mit Katamaranen und der Cook Straight gemacht habe, lasse ich mich dazu überreden wieder auf so ein Ungetüm zu steigen und nach Matiu Island zu fahren. Die Insel ist zum Glück geschützt in der Bucht von Wellington und nur 20 Minuten vom Hafen entfernt. Der Hinweg gestaltet sich problemlos. Kaum Wellen und keine 20 Minuten später stehen auf der Insel, die ursprünglich mal ein Pa, eine Versteidigunsanlage, dann eine Quarantänestation für Menschen, dann ein Gefängnis für Kriegsverbrecher, dann eine Quarantänestation für Tiere war und zu guter Letzt umfunktioniert wurde zum Nationalpark und Naturerlebnis für die Bewohner der Hauptstadt, die auch mal neuseeländische Natur sehen und nicht nur von australischen Vögeln belästigt werden wollen. Damit die australischen (und sonstwie ausländischen) Plagen nicht versehentlich auf die Insel eingeschleppt werden, müssen wir unsere Taschen kontrollieren, ob da auch keine Maus drin sitzt und die Schuhe, ob da nicht noch der Dreck der Stadt drin hängt. Wir sind alle tierfrei (kommt einem Wunder nahe, bei dem Tierreichtum im Haus...). Der Rundweg beginnt mit einem kleinen Berg. Oben auf dem Berg eine Gedenktafel für die verstorbenen. Tja, so ist das bei einer Quarantänestation. Die sind ja nicht zum Spaß erstmal festgehalten worden. Und welcher Kiwi will schon Pest, Cholera oder Typhus in seiner Stadt haben? Die Insel ist klein, bietet aber Neuseeland von oben bis unten. Cabage Trees und Silverferns stehen neben Kowhai und Pohutekawa Bäumen. Rein theoretisch sollten wir auch Tuataras sehen können. Aber denen ist das Wetter wahrscheinlich noch zu kalt. Wenn ich wechselwarm wäre, würde ich jetzt auch nicht raus wollen. Vor einem Weta-Motel bleiben wir staunend stehen. Diese Rieseninsekten haben sich tatsächlich in den kleinen Motelzimmern eingenistet. Als Nachbarn haben sich ein paar kleine Kakerlaken gefunden. Wie lecker... Ein Schild weist auf eine historische Eisenbahn aus dem späten 19. Jahrhundert hin. Wie historisch! Auf dem Weg treffen wir Schafe, eine Verteidigungsanlage aus dem 2. Weltkrieg und jede Menge Wind. Wo kommt der denn jetzt her? Der Rückweg wird, dank des Windes, etwas schaukelig. Ich hoffe nur, dass meine Wetterzaubereien jetzt nicht aufhören. Zum Glück wird der Wind wieder weniger und der nächste Tag kann kommen. Ich habe ein bisschen Kultur geplant.
Mein Weg führt mich ins Te Papa. Ob sich da wohl viel verändert hat? Ich bin schließlich seit 2002 nicht mehr da gewesen. Der Eingang ist immer noch skandinavisch freundlich. Auch die Ausstellungen haben nichts von ihrem Charme verloren. Informativ und unterhaltsam erzählt das Museum die Geschichte Neuseelands, der Menschen und Tiere, der Natur und der Götter. Neu ist ein gigantischer Tintenfisch. Der größte, der jemals lebendig gefangen und dann in Gießharz ausgestellt wurde. Er kommt aus der Antarktis und ist versehentlich von einem Fischfänger gefangen worden. Beide waren an dem selben Beutefisch interessiert und wollten nicht locker lassen. Die Zweibeiner haben den Achtarmer besiegt, eingefroren, untersucht und in Formalin und Gießharz konserviert. Seine Geschichte ist mit einem Video dokumentiert und Stofftiere, Armbänder und T-Shirts können als Riesencalamar-Souvenir im Te Papa Shop gekauft werden. Ich kann drauf verzichten. Viel spannender finde ich die Videocollage zum Selbermachen. Auf einem Monitor kann ich 6 Motive auswählen (oder selber Bilder oder Videos aufnehmen) und die dann an einer großen Leinwand mit einem Zauberstab selber anordnen und mit Spezialeffekten verschönern. Ein tolles Spielzeug. Warum gab es sowas bei uns nicht im Kindergarten. Selbst in der Schule hätte ich noch viel Spaß daran gehabt. Wenn ich viel Geld habe (trotz mittelfristigem Plan mit oberster Priorität), dann baue ich mir auch so eine Wand mit Zauberstäben ins Wohnzimmer. Die kann ich dann ja nach Belieben gestalten.
Sonst hat sich wenig im Museum verändert. Die wechselnden Ausstellungen sind halt andere, aber der Rest ist gleich geblieben. Tut auch mal gut, so viel bekanntes und trotzdem schönes und spannendes wieder zu sehen.
Nach einem kurzen Mittagstreffen geht mein kultureller Weg weiter in das Stadtmuseum. Ja, auch aus angeschwemmten Bierdosen kann man eine Ausstellung machen. Das Museum ist niedlich, hat aber wenig zu bieten. Ich habe nach 2 Stunden wirklich jeden ausgestellten Gegenstand gesehen und jeden Film angeguckt (waren immerhin 2x4 Minuten). Ich bummel durch die Innen- “Stadt“ und überlege mir, wie ich die zahlreichen Sehenswürdigkeiten auf die verbleibenden Tage verteilen kann. Wellington kann ein durchschnittlicher Tourist sicher in 2 Tagen komplett gesehen haben. Ich habe ja nun schon das Te Papa und das Stadtmuseum gesehen und Matiu Island. Was bleibt also übrig? Was MUSS ich noch sehen? Klar, das Cable Car. Nix wie los, ich fahre also mit dem Cable Car den Berg hoch, in den Botanischen Garten. Dass der Kartenverkäufer mich fragt, ob ich heute denn nicht zur Schule muss, bringt mich eher zum Schmunzeln. Wenn der wüsste...
Die Fahrt ist kurz. Ich durchstreife das Cable Car Museum und spaziere durch den Botanischen Garten. Thematisch angeordnet (hier Kakteen, da Farn, dort empfindliche Pflanzen) ist es ein schöner Park.Etwas gewöhnungsbedürftig ist der Highway, der mitten durch den angrenzenden Friedhof zieht. Ob das wohl ein Wink mit dem Laternenpfahl sein soll? Meinen Nachmittag verbringe ich im Bienenkorb. Die Bienen hier, die stechen nämlich nicht, sondern sind rot und klappern mit den Flügeln. Ach nee, das war Buzzy Bee, das beliebteste Spielzeug in NZ. Die Bienen aus dem Bienenkorb regieren das Land. Also das Parlamentsgebäude ist eine architektonische Schönheit und hat durchaus Ähnlichkeit mit einem Bienenstock. Ich muss alles mögliche abgeben. Von Fotoapparat über Jacke bis hin zu Portemonaie und Postkarten. Naja, die Kiwis werden schon drauf aufpassen. Der Mann, der die Führung der Gruppe übernimmt (bei Interesse: jeden Tag, jede volle Stunde von 10-16 Uhr, im Sommer vielleicht auch länger). rät ganz richtig, dass ich von der oberen Hälfte unseres Planeten komme. Dann die übliche Überlegung, wo ich herkommen könnte. Es fallen bunt durcheinander geraten Ländernamen wie England? Irland? USA? Kanada? Ich bin ehrlich ein bisschen stolz auf meinen so gar nicht deutschen Akzent. Mich wundert es immer, wenn ich bei Leuten, die schon seit längerer Zeit im englischsprachigen Ausland leben, nach 2 Sätzen sagen kann, wo sie herkommen. Warum können einige Leute besser als andere eine Sprachemelodie übernehmen? Und wiederum andere gar nicht? Sind das unterschiedliche anatomische Vorraussetzungen?
Auf jeden Fall war die Tour durch den erdbebensicheren Bienenstock kurzweilig und interessant. Ich habe eine Menge gelernt und leider auch gleich eine ganze Menge wieder vergessen. Ich weiß noch, dass das spanische Königspaar gerade da war, die Reste vom Buffett wurden abgetragen, als wir durch den Saal geschlichen sind. Und ich kann mich an den Premierminister erinnern. Er hatte einen Anzug an und ist auf der rechten Seite gegangen. Neben einem anderen Minister. Geplant war dieses Treffen nicht und ich hätte auch viel lieber Helen Clark dort gesehen, aber ein krönender Abschluss der Bienenkorbführung. Im Palament-Shop kann ich gerade davon absehen die Parliamints zu kaufen. Wobei ich die Idee ziemlich gelungen finde!
Den wettertechnisch besten Tag in Wellington habe ich auch am besten genutzt. Ich habe erst Tahi kennengelernt. Tahi ist ein einbeiniger Kiwi, der im Zoo in Wellington wohnt. Der Zoo ist durchaus sehenswert. Klein, aber freundlich, hell und, soweit ich es beurteilen kann, fühlen sich die Tiere wohl. Zu bestimmten Uhrzeiten kommen die Tierpfleger zu den Gehegen und erzählen was über ihre Tiere. Sie kennen jedes Tier mit Namen und können die Eigenheiten beschreiben. Besonders bei den Schimpasen ist es eine heiteres Interaktionsspiel zwischen Pflegerin und Affen. Am besten gefallen hat mir aber immer noch der Kiwi-Vogel. Ob nun Tahi oder ein anderer, egal! Die sind soooo putzig, wenn die Berge rauf und runter hoppeln. Wahrscheinlich stammen die Känguruhs doch von den Kiwis ab. Das würde auf jeden Fall erklären, warum die Beuteltiere auch so niedlich sind.
Der Zoobesuch war allerdings nur der Auftakt zu einem wunderbaren Tag. Ich habe an diesem Nachmittag meinen Träumen Flügel geschenkt und mich mitnehmen lassen. Die Flügel hingen an einer gelben Piper Tomahawk, die dem Wellington Aero Club gehört. Zusammen mit diesem kleinen knuffigen Flugzeug habe ich 27 Minuten Wellington von oben sehen dürfen. Ich verstehe zwar immer noch nicht, wie es möglich sein kann, dass ein so schweres Gerät, wie dieses Flugzeug (und beim Steuern mit den Füssen war der gelbe Vogel schwer!!!) sich in der Luft halten kann, aber ich kann die Erklärung wiedergeben und einfach drauf vertrauen, dass doch jemand einen unsichtbaren Faden in der Hand hält und mich immer genau in die schönste Region der Welt, in diesem Fall die Luft, steuert. Fliegen ist so ziemlich die beste Erfindung, die in den letzten 1000 Jahren gemacht wurde. Ich weiß gar nicht, wie ich das Gefühl beschreiben kann. Dem Himmel nah, trifft es am besten, glaube ich. Wortwörtlich beflügelt freue ich mich auf die nächsten Abenteuer. Leider ist in Wellington außer dem Mt Victoria nicht mehr viel zu sehen. Dafür treffe ich mich noch mit einer Klassenkameradin, die ich seit fast 10 Jahren nicht mehr gesehen habe. Eigentlich wollte ich ihr Haus in Hamilton kennenlernen, aber da hat sich leider ein Wasserrohr eine schwere Fraktur zugezogen. Für uns etwas weit hergholt und unverständlich, Trines erste Reaktion: "Oh nein, jetzt habe ich eine heiße Quelle in meinem Haus!" In NZ kann das allerdings passieren. Leider geht auch dieser Urlaub vom Urlaub einmal zu Ende. Ich bin am Boden zerstört, als ich mich Richtung Flughafen in Auckland bewege, fühle mich richtig tief traurig. Das einzige, was mich vom umbuchen abhält, ist die Tatsache, dass ich weiß, dass das nächste Jahr kommen und mich wieder nach Neuseeland bringen wird. Schließlich habe ich es dem Grenzbeamten versprochen!

Mit neuen und alten Bildern, weil NZ einfach schön ist...
God's own country