20.06.2013

Und rechts paddel paddel und links paddel paddel







Von einem Schiff ins andere. Kaum eine Nacht geschlafen, da habe ich dann schon das große Schiff mit dem kleinen Kajak getauscht. Zu erst einmal musste ich von Fidalgo island auf Orcas Island kommen. So viele Fähren gibt es nicht, ganz anders als ich es gewohnt bin. Und vor allem, soll ich früh da sein, damit ich noch einen Platz bekomme. Okay, dann los. Eineinhalb Stunden vor Abfahrt stehe ich also in der Warteschlange. Mein Ticket habe ich schon gekauft, an einer der 4 Ticketstationen (also solche Häuschen mit Menschen drinnen). Und dann warte ich. Und warte. Und warte. Und lese und warte. Irgendwann kommt die Fähre und eine ganze Schar Fährmitarbeiter winkt eifrig, um die Leute Autos zu verteilen. Ich frage nicht warum, sondern freue mich an den gesamten ABMs. statt Svele und Kaffee gibt es diverse Sandwiches, Burritos, Burger, Brezeln, Suppen, Nachos und noch viel mehr. Und Puzzle, damit die Fährpassagiere was zu tun haben, während der 30 Minuten Überfahrt. Ich glaube, Fjord1 bekommt einen Tipp von mir, wenn ich wieder in Norwegen bin. Die Puzzles liegen auf den Tischen, sind mehr oder weniger fertig und jeder, der will kann mal kurz ein oder 2 Teile anbauen.

In herrlichstem Sommerwetter komme ich am Eastsound der Orcas Island an. Sachen packen und nach einer kurzen Sicherheitsübung rein ins Kajak. Und dann heißt es paddeln. Einmal über das Wasser nach Sucia Island. Picknicken und weiter. Das Wasser ist spiegelglatt und und die Gezeiten sind am ersten Tag ganz auf unserer Seite. Meine Gruppe ist ein bunter Haufen verschiedenster Leute. 2 Guides, der eine Fotograf, der andere Astrophysiker (sag mal, habe ich einen Astrophysikermagneten eingebaut oder sind die so häufig in der freien Wildbahn??). Und 5 andere Paddler, alle schon reichlich paddelerfahren und deutlich älter. 3 von denen arbeiten im Bereich Naturschutz/Ranger. Ich lerne auf dieser Tour viel über Amerika und die Amerikaner.

Gleich am ersten Tag verbrennt die Sonne meine Beine. Au!. Wer rechnet auch damit, dass LSF 50 (ok, mal nass geworden) nicht ausreicht, um meine Füßchen eine Stunde vor den bösen UV-Strahlen zu schützen. Von da an eben lange Hosen und nicht mehr 7/8. Wir werden hervorragend versorgt mit BBQ, Eintöpfen, Grillen und immer wieder hervorragenden Lunchsnacks.Und nein, ich bin kein Orca und schlage meine Zähne nicht in einen Seehund. 2 Seehunde begleiten uns. Wir taufen sie Lars und Linn - sie sollten norwegische Namen bekommen.

Auf Patos Island machen wir zu erst einen Inselrundgang. 5 amerikanische Meilen und knapp 3 Stunden später sind wir pünktlich zum Sonnenuntergang am Leuchtturm. Der Turm ist historisch (also älter als 20 Jahre) und wird als Museum genutzt. Das funktioniert so: Bildertafeln in die Fenster stellen, Schild an die Tür "Museum" und fertig. Ein paar Wolken hängen am Himmel, aber nur solche, die schönes Wetter versprechen. Das Wasser reflektiert die letzten Sonnenstrahlen so, dass unsere Schatten 2-geteilt auf der Leuchtturmwand erscheinen. Wir hüpfen und springen, strecken Arme und Beine in die Luft, um die Schatten möglichst bizarr aussehen zu lassen. Es funktioniert. Wer sonst hatte schon mal einen Lichtstreifen senkrecht durch sich durchgehen?

Nach einem Spaziergang auf Matio Island stehen wir wieder andächtig am Ufer und sehen wie Mt Baker sich rosa-rot-orange färbt im Sonnenuntergang. Nur einen Ruderschlag entfernt ist eine große Stadt, hallo Vancouver, lange nicht gesehen und doch wiedererkannt. Hier stehe ich, auf einer unbewohnten Insel in den USA und winke nach Kanada. Surreal, aber schön.

Die Paddeltouren sind mal mehr und mal weniger anstrengend. Windstille und mit der Strömung kommen wir gut voran. Paddeln wir gegen beginnende Ebbe bei ablandigem Wind, helfen auch die tollen Seesterne nicht mehr. Dann sind 3 Stunden plötzlich lang. Dafür schmeckt das Abendessen dann noch tausend mal besser!

Wild Campen ist auf den San Juan Inseln nicht erlaubt. Es gibt aber auf allen Inseln ausgewiesene Campingplätze mit hervorragenden Sanitären Einrichtungen. Die saubersten öffentlichen Toiletten, nach denen in Sæbø. Fließendes Süßwasser gibt es nicht überall, aber wir haben ja große Wassersäcke dabei. Und Zelte und Isomatten und Kissen und Schlafsäcke und Geschirr, Tischdecken, eine Sturmküche und alles, was man sich vorzustellen vermag. Kaum zu glauben, was man alles in solche Kajaks stecken kann. Übrigens scheinen die großen 2-er Kajaks unsinkbar zu sein. Die Kenterübung mussten wir in einem kleinen Kajak machen. Das große haben wir, trotz aller Mühe, nicht umgekippt bekommen. Und wir haben uns wirklich angestrengt. Beide gleichzeitig mit Schwung auf die gleiche Seite geworfen. Schwankt ein bisschen und dann stabilisiert es sich wieder.

Nach der Übernachtung auf Sucia Island wusste ich, was es bedeutet eine Schlüsselart zu sein. (Wikipedia: Als Schlüsselart (in Anlehnung an die engl. Bezeichnung „Keystone Species“) wird in der Ökologie eine Art bezeichnet, die im Vergleich zu ihrer geringen Häufigkeit einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Artenvielfalt einer Lebensgemeinschaft ausübt.) Ein lauer Abend, wir sitzen am Lagerfeuer und hier und da zirpt eine Grille. Alle sitzen entspannt, nur eine schlägt wild um sich. Jegliches Mückenspray hilft nicht. Wie schon vor 5 Jahren in Kanada, sind die Mücken auch hier von der unbeeindruckten Sorte. Insektizid - pfft. Ich stech da durch. Am Rücken, im Gesicht, auf Armen und Beinen, an Hals und Händen und Füßen saugen mich die Mistviecher aus. Durch Pullover und Hose durch. Hauptsache an mein Blut kommen sie ran. Ich werde zu Hause einen BZ machen. An irgendwas muss die Affinität der Mücken ja liegen. Aber noch mal, Schlüsselart: Ich habe eine sehr geringe Häufigkeit in der Welt, sie liegt genau bei 1. Aber mein Einfluss auf das Überleben der Mücken (und damit Vögel, Tiger, Bären und Wale) scheint undenkbar groß zu sein. Würde man mich ausrotten, so hätten die Mücken nichts mehr zu essen, würden sterben und andere Tiere, wie fliegende Ameisen würden die Weltherrschaft übernehmen. Also werde ich aufpassen, dass ich nicht ausgerottet werde. Wäre schade um die schöne Welt.