Da sitze ich nun, auf der anderen Seite des Kang-La Passes und habe vor allem Lust wieder auf die ruhige, einsame Seite zurückzugehen. Naja, den Pass von der Manang-Seite hoch will ich auch nicht. Und eigentlich bin ich auch ein bisschen gespannt, wie es weiter geht. Aber es war halt so extrem schön besonders in der Einsamkeit von Meta, Nar und Phoo.
In der Gegend von Manang wird viel Buchweizen angebaut. Die Felder leuchten in strahlendem Rosa - so sieht also Buchweizen aus. Hatte ich noch nie so wahrgenommen, aber es sieht wirklich gut aus. Manang ist wieder ein richtiges Städtchen, mit Einkaufsläden, einem Kino (funktioniert gerade nicht) und einer Gesundheitsstation (in der Hauptsaison arbeitet sogar ein Ausländerarzt dort, der Wanderer mit Höhenkrankheit und/oder Gastroenteritis behandelt). Unser Hotel hat einen großen, leider auch kalten Aufenthaltsraum. Nach und nach kommen immer mehr Menschen und es wird voll. Ganz schön anstrengend. Ich gehe lieber früh ins Bett. Wieder mal spielt der Regen eine leise Schlafmelodie. Die Melodie spielt auch am nächsten morgen noch. Och nee... Chiya, Chapati und los. Im strömenden Regen. Wir laufen die 4 Stunden durch. Ich will keine Pause machen, ich will ins Trockene. Mein Reiseführer hat irgendwas von 5-6 Stunden geschwafelt und ich bin unendlich erleichtert, als wir Yakkharta viel früher als ich erwartet hatte, erreichen. Das Guest House ist ähnlich wie das in Manang. Es gibt einen großen Aufenthalts- und Essraum und auf der anderen Seite der Straße sind die Schlafzimmer. Ich verbringe einen Teil des Nachmittags im Aufenthaltsraum. Irgendwann ist mir aber so kalt, dass ich erstmal eine Runde schlafen muss, um mich wieder aufzuwärmen. Nachmittags ist dann mal eine kurze Regenpause und ich kann ich einen Spaziergang durch den Ort machen. Der Ort besteht eh nur aus der einen Straße mit ein paar Hotels rechts und links. Am Ortsausgang ist wieder eine Manimauer. Wenn es doch nur etwas heller am Himmel wäre...
Um nicht weiter an den Regen denken zu müssen, gehe ich wieder früh ins Bett. Da ich aber den halben Nachmittag geschlafen hatte, wird die Nacht eher unruhig. Ach wofür hat man denn viele Bücher mit? Ich kann ja auch von 2-3 Uhr lesen. Und dann weiterschlafen, bis 6.30 Uhr. Dachte ich. Um kurz vor 5 klopft es an meine Tür? Was in aller Welt will die Welt so früh?? Pasang?? Hä? Oh die Berge sind zu sehen? Innerhalb von Minuten bin ich fertig angezogen und stehe auf der Straße. Es ist halb hell und Anapurna 2-4, sowie Teile von Gangapurna strahlen mich an. Wow! Dafür stehe ich gerne auf. Ich gucke und gucke und gucke. Das ist unbeschreiblich. Der Himalaya steht vor mir und lacht mich an.
Und ich lache zurück. Die Wolken der letzten 2 Tage sind verschwunden und der Himmel ist dermaßen unschuldig blau, als könnte er gar nicht grau sein.
Nach dem Frühstück geht es los in Richtung Thorung La Highcamp. Teepause inklusive. Es ist herrlich warm und sonnig. Der Himmel ist blau und die schneebedeckten Berge strahlen mich an. Da kann mich nicht mal die chinesische Schokolade verschrecken (die wirklich erschreckend ist - Adventskalenderschokolade ist dagegen eine Delikatesse, mmhhhh). Die letzte halbe Stunde zum Highcamp geht wieder mal steil bergauf. 4900m über meinem Zuhause sitze ich in der Sonne, trinke Tee und fühle mich unsterblich.
Nach dem Mittagessen geht es noch auf einen kleinen Aussichtspunkt, keine 10 Minuten vom Hotel entfernt. Die Aussicht ist umwerfend. Das ist so schön, dass ich gar nicht weiß wohin mit all diesen Gefühlen. Das unbeschreibliche in Worte fassen. Also ja... Es ist schön. Nee das reicht nicht. Das ist viel zu lapidar. Es ist wunder-wunder-wunder-schön? Nee, auch nicht genug. Dieses Bild von den bunten Gebetsfahnen im Wind, vor dem himalaya-blauen Himmel mit den 8000m hohen Bergen im Hintergrund, bleibt einfach unbeschreiblich, herzschmelzend, seelenbelebend, phantastisch. Hier berühren sich wirklich Himmel und Erde. Und ich bin hin und weg. Immer wieder muss ich meine Augen zu machen, um sicher zu sein, dass die Bilder weiter vor meinem inneren Auge auftauchen, auch wenn mein äußeres sie nicht sehen kann. Ja, die Bilder bleiben. Und sie bleiben so majestätisch, so anmutig, so groß und so schön. Unvergesslich.
Landschaftlich weiß ich mal wieder nicht, wo ich eigentlich bin. Klar, Himalaya, aber eigentlich hätte ich hier nicht diese sandigen, rutschigen Berge erwartet. Und diese Wellen im Berg, die waren in meiner Erwartung auch nicht da. Aber sie passen hierher. Bei den vielen kleinen Türmchen muss ich auch einen bauen. Nur so als Vorsicht, damit mich kein Troll auf dem weiteren Weg mit Steinen bewirft. Ca 5000m hoch, jetzt gibt es auch hier keine Bäume und Sträucher mehr. Nur noch Flechten, Moose und kleine Blümchen.
Die Sonne scheint, als wollte sie es wieder gut machen, dass sie so lange nicht da war. Es hätte keinen besseren Tag geben können, als ausgerechnet diesen einen, um hier zu sein. Sicher wäre die Aussicht wo anders auch toll gewesen, aber eben nicht ganz so besonders wie hier.
Ich habe Lust das Sonnenaufgangserlebnis vom Kang-La zu wiederholen. Also wollen wir am nächsten morgen früh los. Der Weg ist langweilig, kein Sonnenaufgang, keine Yaks. Nebel und Wolken begleiten uns. Anstrengend ist es vor allem mental, nicht körperlich. Und dann sind vor auch schon auf dem Pass. Alles ist mit einer Schicht Raureif bedeckt. Frisch... Fast ein bisschen enttäuscht bin ich, hier zu sein. Klar, stolz auf mich und meine Beine, aber Thorung La ist kein Vergleich zu Kang-La. Thorung-La ist der breiteste Pass der Welt. Ich merke gar nicht, dass ich hier auf zwischen 2 Bergen stehe. Es ist eine weite Ebene. Schade. Nach den obligatorischen Bildern gehen wir weiter. Weiter, zurück in die Zivilisation. Ob ich das will? Nein, ganz sicher nicht. Ich würde wohl eher umdrehen wollen. Aber so ist das Leben, es geht weiter, nicht zurück. Der Weg runter ist weniger steil als der Weg runter vom Kang-La Pass. Vielleicht sogar ein bisschen langweilig. Nach 3 Stunden ein kleiner Schock - ein Baustellenfahrzeug. Die wollen eine "Straße" zum Pass hoch bauen. Naja, Trollstigen gibt es ja auch. Wäre wohl ohne Straße nicht so berühmt und vielleicht noch schöner. Puuh, eine Straße. Autos, Menschen... Vielleicht könnte ich ja doch zurück??
Muktinath ist ein Schmelztiegel der Religionen. Der Tempel hier wird von Hindus und Buddhisten gleichermaßen geheiligt. Klar, dass ich da auch hin muss. Liebe Inder, warum bestätigt ihr eigentlich immer wieder aufs neue meine Vorurteile? Wo Inder sind, da liegt tonnenweise Müll herum. Wir kommen in Muktinath an und stolpern als erstes durch dicke Müllberge. Auf den Bänken am Ortsausgang sitzen Inder (Pilgerstätte für Hindus - klar dass da auch Inder kommen wollen) und werfen ihren Müll einfach hinter sich. Ich bin in solchen Momenten so abgrundtief enttäuscht von der Welt.
Nach einer kurzen Pause im Hotel, geht es zum Tempel. In einem der vielen Tempelchen brennt ein ewiges Feuer. Also der Tempel wurde um eine winzig kleine Naturgasquelle herum gebaut und da brennt ein Flämmchen. Sieht chic aus, weil drunter ein Wasserpfützchen ist. Aber die große Erleuchtung habe ich da nicht erfahren. Pasang weiß noch einen weiteren Ort. Dzong, nur eine Stunde entfernt. Er meint, dort würde es mir besser gefallen. Bingo - dort gefällt es mir viel besser. Kein Tourist stört, kein Inder wirft seinen Müll achtlos in die Gegend und alles scheint noch "echt" zu sein. Ich darf mir das Kloster angucken. Wieder mal bunte, sehr naive Bilder an den Wänden und ein meditierender Buddha vorne. Der Abt des Klosters setzt sich im Hof dazu und erzählt über die Schule und seine Mönchskinder. Er leitet dieses Kloster und die Schule, die 35 Kindern ein Zuhause und eine Zukunft bietet. Sie haben sogar ein Klo, strahlt er stolz. Mein ganzes ich sitzt demütig da. Ein Klo!!! Mann, was will ich eigentlich? Ich habe doch alles. Ein Klo!!!
Ich darf im Klostergarten Aprikosen vom Baum pflücken. Lecker!!! Die letzten 2 Wochen habe ich kein Obst gegessen, fällt mich jetzt auf. Gab es einfach nicht. Erst im Nachhinein merke ich, dass ich es vielleicht doch vermisst habe. Oder halt, dass diese Aprikosen jetzt besonders gut sind. Mit dem Gefühlsgemisch aus Demut und Dankbarkeit gehe ich zurück.
Die letzte Etappe auf meinem persönlichen Annapurna Circuit geht nach Jomsom. Es ist warm, staubig und geht nur bergab. Statt auf der Straße laufen wir am Ufer des Flusses, der nach Mustang fließt. Pause im Hilton Hotel. Der Tee ist lecker, aber ich würde doch fast noch lieber den Yakbuttertee trinken, wenn ich noch mal auf die andere Seite der Berge könnte. Jetzt! Statt dessen geht es weiter nach Jomsom. Pasang kauft Pfirsiche. Die sehen wirklich lecker aus. Meine Bakterienflora wird sich freuen. Besonders, weil ich den Pfirsich auch noch an einem Straßenwasserhahn abwasche. Und was machen die kleinen Bakterien? Sie vertragen sich gut, mit allen, die schon da sind. Asbest scheint dagegen ein sehr empfindliches Material zu sein...
Das Tal in dem Jomsom liegt, ist ein Windkessel. Jeden Tag, ab ca 10 Uhr fängt der Wind an. Er pustet den ganzen Tag bis er nachts irgendwann abflaut. Daher wird der Nachmittagsspaziergang auch sehr luftig. Schön ist der Ort nicht. Eine Straße mit Autos und Motorrädern und Hotels daneben. Und eine Kaserne. Kein Geld für Schulen, aber Kasernen bauen. Och Nepal... Wähl mich zum Diktator, ich bring das in Ordnung.
Tja und jetzt? Soll das Abenteuer Annapurna vorbei sein? Vermutlich schon. Zumindest für dieses mal. Denn ich plane schon wieder zu kommen. Zu sehr hat mich dieses Fleckchen Erde fasziniert. Der Urlaub ist aber noch nicht vorbei. Eine Dschungelwanderung wartet noch auf mich. Nix wie hin!