13.09.2015

Ein bisschen Sowjetzeit ist geblieben

Jahrzehnte lang hat Armenien zur Sowjetunion gehört. Das hat die Menschen deutlich geprägt. Auch heute noch ist Russland ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Verbündete in der Welt. Die Armenier sehen in der Sowjetzeit die gute alte Zeit. Alles war besser damals. Tja, vielleicht war von außen gesehen nicht alles besser, aber für den einzelnen hatte die Rigidität der damaligen Zeit bestimmt was gutes. Die Analphabetenrate unter der "Erwachsenen" Bevölkerung ist erstaunlich gering, die meisten sprechen nicht nur Armenisch sondern auch Russisch. Gratis Schule für alle, eine solide Gesundheitsversorgung und einen (schlecht) bezahlten Job. Und dann kam die Wende, bzw. hier ja die Auflösung der Sowjetunion. Plötzlich haben die Menschen ihre Arbeit verloren, hatten keine Chance mehr auf Bildung und mussten plötzlich für die Gesundheitsversorgung selber aufkommen. Kein guter Tausch. Dass die dauernde Bespitzelung mit dem Zerfall der Sowjetunion ebenfalls aufgehört hat, wird geflissentlich übersehen. Viele junge Männer arbeiten - schwarz natürlich - in Russland auf Baustellen. Im Winter sind sie in Armenien und unterstützen die Heimbrennerei.

Nicht nur in den Köpfen, sondern auch in der Öffentlichkeit ist ein bisschen der Sowjetzeit geblieben. Es gibt ein UDSSR-Eis, Vanilleeis mit Schokoladenüberzug, essbar, aber nicht so lecker. Und die Stimmung in den kleineren Städten ist irgendwie wie in der DDR damals. Ich weiß auch nicht so genau warum. Als ich in Jermuk abends durch die Stadt geschlendert bin, kam es mir vor, als würde ich durch Neubrandenburg direkt nach der Wende laufen. Klar, die Häuser haben eine wunderliche Farbe, ein bisschen grau, aber doch nicht grau. Vielleicht ist es auch die Architektur oder der Aufbau der Stadt. Ich habe keine Ahnung. Es ist surreal...

In den meisten Orten sind Geschäfte, Apotheken und vor Autowaschanlagen nicht nur auf Armenisch, sondern auch auf Russisch ausgeschildert. Ich glaube, als Russe in Armenien Urlaub zu machen ist ne gute Idee.
Selbst beim Essen muss "der Russe" sich nicht umstellen. Zumindest gibt es in den großen Supermärkten ein reichhaltiges Angebot von Lebensmitteln mit russischer Beschriftung. In den Supermärkten ist die Zeit übrigens nicht stehen geblieben. Hier ist der Kommunismus längst in Vergessenheit geraten. Die Auswahl ist überwältigend. 5 Jahre real gelebter norwegischer Sozialismus mit staatlich regulierten Erscheinungsdaten für neue Waren haben ihre Spuren hinterlassen. Ich verbringe mehr als eine Stunde im Supermarkt und staune. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Neben einer reichlichen Auswahl an diversen alkoholischen Getränken, hat jeder Supermarkt eine Süßigkeiten Abteilung, die mich verführerisch anlächelt. Trotz gesteigertem täglichen Konsum, habe ich es am Ende des Urlaubs nicht geschafft, alles probiert zu haben.