27.09.2010

Einmal zum Fjord, bitte

Der Sognefjord ist vor allem seiner Länge bekannt. Mehr als 200km zieht er ins Landesinnere. Die Ufer sind gesäumt von Obstbäumen, steilen Felsen, weiten Wiesen und Gletschern. Das norwegische Gletschermuseum erklärt jedes Detail der fragilen Flora und Fauna rund um die Gletscher.
Im September ist es im Gebirge schon richtig herbstlich. Die Bäume haben ihre Farbe gewechselt und strahlen in sattem Gelb und Rot. Die Fahrt am Sognefjord entlang ist wieder einmal Norwegen live und in Farbe. Mal stehen ein paar Schafe auf der Straße, dann wieder ein LKW, der sich seinen Weg erkämpft. Ungeduldig darf man hier nicht sein, beim Autofahren. Solange die Heizung funktioniert, ist alles in Ordnung und das Leben auf vier Rädern kann so schön sein.
Wenn inmitten der Dunkelheit die Lichter von Sogndal sich im Fjord spiegeln, die Luft mild und klar ist und außer des sanften Plätscherns der Wellen gegen den Steg nichts zu hören ist, was kann dann schöner sein?
Weiter geht die Tour am Fjord entlang. Der Regen hat uns eingeholt und begleitet uns. Die alte Straße über das Sognefjell wird nicht mehr lange befahrbar sein. Ab Oktober wird sie unter einen tiefen Schneedecke ruhen und sich bis April nicht mehr der Öffentlichkeit zeigen. In den letzten 10 Jahren hat sich viel getan. Damals eine ganz normale Straße, heute offizielle Touristenroute. Informationstafeln säumen die Parkplätze und Aussichtspunkte. Eine Ausstellung am höchsten Punkt der Strecke erinnert an die Menschen, die den Weg über den 1300m hohen Pass nicht geschafft haben. Die Menschen, die hier oben erfroren sind, bei dem Versuch in das Tal auf der anderen Seite zu kommen. Keine schöne Vorstellung. Aber eine sehr hübsche Ausstellung.
Kaum hat die Straße ihren höchsten Punkt erreicht, beginnt die Landschaft sich zu verwandeln. Klar, es geht bergab. Hier in Jotunheimen sollen Riesen wohnen. Die Mächtigkeit der Berge lässt es vermuten. Rechts am Straßenrand liegt das alte Hotel Røisheim. Erinnerungen an vergangene Zeiten werden wach... Weiter nach Lom. Auch ganz anders, als in der Erinnerung.

17.09.2010

Eine Kirche für den Troll

Mitten auf der Strecke zwischen Kristiansund und Molde liegt ganz unscheinbar ein Parkplatz. Da auf der rechten Seite der Straße steht auch noch ein etwas verblichenes Schild, auf dem ein Weg beschrieben wird, der etwa eineinhalb Stunden bergauf führen soll. Na dann los. Bepackt mit einigen Litern Wasser, Taschenlampen und den obligatorischen Keksen geht es los. Der Weg führt an einem Bach entlang. Das Wasser plätschert und die Sonne wärmt uns. Noch spenden die Bäume Schatten, aber bald kommen wir über die Baumgrenze hinaus und die Sonne und der steile Weg mit den vielen Steinen lassen sämtliche Schweißdrüsen des Körpers auf Hochtouren arbeiten. Die Wasservorräte waren sicher nicht zu großzügig geplant. Nach guten 2/3 der Strecke lassen wir eine Weile die Welt Welt sein und genießen den Ausblick über das Tal und die Berge. Es ist unglaublich schön. Nach weiteren 20 Minuten stehen wir vor einer Leiter. Dann mal schnell die Pullover anziehen und die Stirnlampen aufsetzen und ab in die Kirche. Hier oben liegt die Trollkirche. Eine Höhle aus weißem Marmor mit unterirdische Wasserfall. Unbefestigt, unbeleuchtet und ungesichert. Allerdings wird darum gebeten, dass keine Fackeln benutzt werden, damit die Höhlenwände nicht durch Ruß verschmiert werden. Auf ins Abenteuer!
Die Höhle, oder viel mehr das Höhlensystem, besteht aus drei Grotten, die irgendwie miteinander verbunden sind. In der mittleren, der schönsten und größten von ihnen rauscht ein Wasserfall durch die Höhlendecke und hat ein Becken geformt, das so glatt es, als hätte es jemand mit Schleifpapier mehrere Jahrhunderte lang bearbeitet.
Die erste Höhle ist vor allem kalt und feucht. Mal ist es hoch genug, um aufrecht zu stehen, mal geht es nur in der Hocke weiter. Die Stirnlampen helfen nur minimal gegen die Finsternis. Viel gibt es hier nicht zu sehen. Die 2. Höhle bietet dafür um so mehr. Eben den Wasserfall, das weiße Marmorbecken und die unendlich vielen Lichtspiegelungen. Lauter kleine Regenbögen, die in der Luft schweben. Hellblau, hellgrün, hellgelb, hellrot. Dazu der weiße Marmor und das rauschende Wasser. Eiskalt natürlich. Der Weg hin und zurück zum Wasserfall ist ein Abenteuer für sich. Eng und glitschig, keine Möglichkeiten, sich festzuhalten. Feste Schuhe sind ein Muss, ein Helm wäre sicher auch nicht verkehrt. Aber hey, wir sind in Norwegen. Da braucht man so was nicht. Mal abgesehen davon, dass sämtliche Rettungskräfte über eine Rettungsaktion aus einer Höhle sowieso wochenlang fluchen würden. Zum Glück ist nichts passiert und wir sind alle unverletzt aus den Höhlen wieder hervorgekrochen versuchen den Abstieg zu genießen. Die großen Steine, die schon den Aufstieg erschwert haben, machen das runterkommen nicht nur zu einer entspannten Tour. Was solls - schön war es trotzdem

15.09.2010

Das Bauwerk des Jahrhunderts



8km Asphalt zwischen kleinen Inselchen im Atlantik. Wie eine Seeschlange windet sich dieses Bauwerk, dessen Erschaffer 12 Orkanen getrotzt haben, durch die raue See. Von Insel zu Insel über steil ansteigende Brücken mit immer wieder neuen Aussichten zieht diese Straße, die zum Bauwerk des Jahrhunderts erkoren wurde.
Karg ist die Landschaft ringsherum. Moose, Flechten und Büsche dominieren die Vegetation. Dreizehenmöwen, Austernfischer und vielleicht auch Seeadler und Papageientaucher segeln durch die Luft. Die Luft riecht nach Salz und Meer. Hinter jeder Kurve erwartet ein neuer Ausblick seine Entdeckung und das Gehirn ist schnell überfordert mit all den Eindrücken. Ein kleines Stückchen abseits der vielbefahrenen Straße liegt ein kleiner Campingplatz. Weiße Holzhütten laden zum Verweilen ein. Die Sonne taucht die Umgebung in ein rot-goldenes Licht und verwöhnt den Körper mit ihrer Wärme. Bilder, die ganz fest auf der internen Festplatte gespeichert werden.
Lange Abende, schließlich geht die Sonne nicht vor 22 Uhr unter, bei gutem Essen und bester Gesellschaft lassen die Zeit wie im Flug vergehen. Wie schön das Leben doch ist.
Die Straße allerdings als ein Bauwerk des Jahrhunderts zu küren, ist vielleicht ein bisschen übertreiben. Es ist und bleibt eine Straße mit Brücken. Auch wenn die Aussicht auf den Hügelchen rechts und links der Straße grandios bleibt.

06.09.2010

Wo die Trolle wohnen

Es ist Anfang September. Früh am Morgen. Der Himmel ist blitzeblau, die Sonne scheint, das Gras ist steif vom Frost und ein neuer Tag wartet darauf gefeiert zu werden. Das Auto ist bis unter das Dach mit Urlaubsstimmung und Lebensfreude beladen. Regenbögen überspannen die Gudbrandsschlucht. Vor vielen Jahren soll mal ein Mann namens Gudbrand über diese Schlucht gesprungen sein. Heute erinnert eine Besucherplattform an die dramatische Geschichte, die sich an der 5m breiten Schlucht mit dem rauschenden Wasser abgespielt hat.
Kaum merklich steigt die Straße an. Die großen Tannen werden kleiner, Krüppelbirken bestimmen die Landschaft, bevor nur noch Blaubeerbüsche auf dem kargen Boden wachsen. Gestern hat jemand mit dem großen Puderzuckersieb die Berge verzaubert.
Wir steigen aus und genießen die kühle, klare Luft, gehen ein bisschen durch die Einöde und pflücken ein paar Blaubeeren. Der Frost hat die Beeren süß gemacht. In der Ferne klingeln die Halsbänder von einer Schafherde. Die weißen Wollknäule verschwimmen mit dem Horizont. Ob sie wohl ihre Brüder und Schwestern am Himmel vermissen? Blauer geht es nämlich nicht. Keine einzige Wolke ist zu sehen!
Wir fahren weiter. Links stehen König, Königin und Bischof und passen auf (Achtung, Superlativ!) Norwegens meist befahrene Straße auf. Bevor wir uns ins Abenteuer der Trollleiter stürzen, statten wir dem Bischofssee einen Besuch ab. Nur 500 Höhenmeter oberhalb der Straße liegt der See. Die Berge spiegeln sich im Wasser, das ganz harmlos da zu liegen scheint. Nur einen kleinen Sprung weiter entspringt aus dem See ein reißender Wasserfall. Das Wasser ist eiskalt. Beim Versuch die Wasserflaschen zu füllen, zucken blitzende Schmerzen durch die Hände. Von einem Bad sehen wir in sekundenschnelle ab. Stattdessen sitzen wir auf einem Stein, lassen uns von der warmen Septembersonne verwöhnen und freuen uns an der Lebensfreude.
Der Abstieg ist weniger schweißtreibend, als der Aufstieg. Kurze Zeit später ist es dann soweit. Trollstigen, 12% Gefälle, 11 Haarnadelkurven und viele unendlich schöne Eindrücke später, schlängelt sich die Istra durch das satt grüne Tal. Bald taucht rechts der Straße Trolltinden auf. Einmal rechts abgebogen, stehen wir vor der Trollwand. 1000m hoch ragen die Felsen senkrecht aus dem Boden. Schwindelerregend, sogar von unten. Der Weg führt weiter in die Gipfelhauptstadt Norwegens, Åndalsnes.




01.09.2010

Das gewisse Nördliche

Norwegen ist etwas besonderes. In allen Facetten und jeden Tag wieder. Treffender als der Reiseführer von Klaus Betz beschreibt kaum einer dieses Land und seine Bewohner.

"Wenn ich in Oslo mit dem Auto von Bord der Fähre rolle, schalte ich zuerst das Licht ein und gleich darauf das Radio aus... Unmittelbar danach erfolgt der schwierigste Teil der Einreise: Die Umstellung meiner Einstellung zu diesem Land. Ich gehe einfach davon aus, dass im sommerlichen Norwegen zunächst einmal alles geschlossen ist, was geschlossen sein kann. Post, Banken, Fahrkartenschalter, Touristenbüros, Museen, Cafés und so weiter. Das hat den unschätzbaren Vorteil, dass ich mich, statt enttäuscht zu sein, freue. Darüber nämlich, dass mich das Leben auf wundersame Weise immer wieser Lügen straft. Schließlich kann man in Norwegen lernen, dass die Welt nicht untergeht, wenn New York bis morgen früh warten muss."
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"So gewappnet, regt es mich auch nicht mehr auf, wenn ich während einer Reise - auf der Post, den Banken, am Fahrkartenschalter etc. - immer wieder auf nette junge Menschen treffe, die an verantwortlicher Stelle "Sommerjobs" machen und dabei ungefähr soviel Kompetenz vorweisen, wie ein vier Fremdsprachen beherrschender Kraftfahrzeugelektriker in der dritten Ausbildungswoche (derweil die eigentlichen Profis das tun, was wir tun: Sie machen Urlaub)."
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"Vielmehr gilt es in Norwegen als ausgemacht, das Land entweder über technische Superlative, landschaftliche Besonderheiten oder eben über "nördlichste" Einmaligkeiten anzupreisen. ... Ob man den höchsten Berg, den tiefsten Fjord, die steilste Straße, die kurvigste Eisenbahntrasse, die am weitesten gespannte Antenne, die nördlichste Hängebrücke und und und gesehen habe oder zu sehen beabsichtige. All das, so wird dem Norwegen-Neuling ununterbrochen suggeriert, müsse man unbedingt anschauen, sonst laufe man Gefahr das wesentliche zu versäumen."

Trotz allem. Norwegen ist etwas besonderes. Ein Ausflug bei klarem Wetter öffnet die Augen für die gewaltige Schönheit und Erhabenheit der Schöpfung. Wenn die Sonne hinter Runde im Meer versinken möchte und die schneebedeckten Gipfel der Sunnmørsalpen in warmen Farben zum Leuchten bringt, dann sind sämtliche Rekorde unwichtig, dann zählt der Genuss der endlosen Freiheit.