19.08.2016

Noch ne Woche

Und plötzlich ist es so schnell gegangen. Es ist August und "gleich" ziehe ich um. Das haben der eine oder andere mitbekommen und ist nochmal fix nach Trondheim gekommen. Nett, ein bisschen Besuch zu haben. 

Eines schönen Samstags haben wir uns also aufgemacht nach Stjørdal, um die Felszeichnungen aus längst vergangener Zeit anzugucken. Erst mit der Eisenbahn Richtung Flughafen, dann mit dem Bus Richtung Schweden und noch ein Stück zu Fuß gehen. Abbiegen, durchs Feld  und tada, da lag das kleine weiße Haus mit dem Kiosk. Eine Führung gab es gratis. Die Felszeichnungen sind Mitte des 20. Jahrhunderts von einem Mädchen entdeckt worden, die am Bach gespielt hat. Nach und nach ist die Grasnarbe abgetragen worden und immer mehr Zeichen kamen zum Vorschein. Die Wissenschaftler der damaligen Zeit haben, zum besseren Erkennen, die Einritzungen mit roter Farbe angemalt. Stimmt, so sind sie deutlich besser zu sehen, aber leider auch verfälscht. Heute werden die Zeichnungen nicht mehr angemalt und die rote Farbe verblasst allmählich. 

Zu sehen sind allerhand verschiedene Figuren. Sonnensymbole und Menschengruppen, Tiere, Boote und etwas, was uns als Füße erklärt wird. 

Alle Symbole haben eine tiefere Bedeutung, was jetzt nicht bedeutet, dass ich davon etwas behalten habe. Hier haben vor über 3000 Jahren Menschen Bilder in den Stein geritzt. Die müssen eine unglaubliche Ausdauer gehabt haben, denn ich finde den Stein ziemlich hart.
Ein Künstler wird aus mir nicht, auch kein Archäologe. Aber interessant ist es allemal. 

Und dann geht alles so schnell. Plötzlich ist Ende August und ich soll umziehen. Auf einmal gefällt es mir doch ganz gut in Mittelnorwegen. Aber ich glaube, das ist vor allem, weil ich hier weiß, was ich habe, mich einigermaßen sicher fühle und nicht noch mal ganz von vorne anfangen muss. 

Noch ein trubeliger, unendlich schöner Besuch, dann ist er da, der Umzugstag. In der Nacht vorher will das Wetter mich schon mal darauf vorbereiten, was mich in Zukunft erwartet. Es stürmt. Als ich mit zitternden Knien zum Kai fahre, sehe ich eine ganze Menge Wellen, viel Regen und sonst nichts. Kein Schiff. Äääähh, also tja. In 2 Stunden sollen wir losfahren, aber doch nicht mit dem Auto übers Wasser. Irgendwann klingelt mein Telefon. Jemand von der Kong Harald erklärt mir, dass das Schiff wegen des Wellengangs nicht anlegen kann und es jetzt in einem anderen Teil des Hafens versucht. Ich soll doch bitte dahin fahren. Gleichzeitig mit dem Schiff komme ich an. Ein netter Mensch fragt, wohin ich fahre, gibt mir dann einen Aufkleber und fordert meinen Autoschlüssel. Ich soll was? Ja genau, meinen Schlüssel abgeben, mein Gepäck nehmen und aufs Schiff gehen. Mein Auto bekomme ich in Hammerfest wieder. Na dann. 

Über die ersten 24 Stunden der Reise hülle ich mich in Schweigen. Eingerollt im Bett, hoffend das es schnell vorbei ist und würgend, erlebt der Mensch nicht viel.
Es folgen 2 schöne Tage mit Besuchen in Bodø und einem kurzen Einkaufsbummel in Tromsø. Und dann, dann fängt die letzte Nacht auf dem Schiff an. Als ich am nächsten Morgen aufwache ist der Himmel grau, die Landschaft karg und meine Aufregung unbeschreiblich. Es geht ganz schnell. Zusammen mit einer Handvoll Menschen, gehe ich an Land, mein Auto kommt im gleichen Moment mit dem Fahrstuhl angefahren und zusammen rollen wir in ein neues Zuhause.

20.07.2016

Im Hühnerbus

Die Straße von Tatopani nach Beni ist deutlich mehr befahren, als die Straßen weiter im Norden. Und die Straße von Beni nach Pokhara sowieso. Also geht es jetzt mit dem Bus weiter. Im Guesthouse hieß es, der erste Bus würde so gegen 8.30 Uhr fahren. Und dann alle halbe Stunde.
Um 7.45 Uhr stehe ich am Busbahnhof/Ort wo vermutlich mal ein Bus hält. Kurz vorher habe ich einen Bus abfahren sehen. Es sollen ja noch mehr kommen. Ich warte entspannt. Es wird 8 und es wird 9. Dann wird es 10 und ich werde ein bisschen ungeduldig. So spannend ist es nicht, hier in der Gegend zu stehen und zu warten. Weggehen will ich nicht, weil ja vielleicht ein Bus kommen könnte. Für einen Jeep müsste ich ungefähr das 5-fache ausgeben wie für den Bus. Also keine wirkliche Alternative. Irgendwann kommt tatsächlich ein Bus an. Alle versichern mir, dass dieser Bus nach Beni fährt. Ich bin ein bisschen erleichtert, so schön war es in Tatopani nämlich nicht. Als ich in den Bus einsteigen will trifft mich der nächste Schock: der ganze Bus ist voller Hühner und deren Hinterlassenschaften. Ach ja, was solls. Ich habe Urlaub und das ist ein einmaliges Erlebnis. zwischen gefühlt hundertden Hühnern finde ich einen halben Sitzplatz und lasse mich nach Beni schaukeln. 4 Stunden für 25km, mindestens 2 Erdrutsche und unzählige steckengebliebene Autos, LKW und Busse. Ich bin so froh, als der Bus in Beni anhält und ich aussteigen darf. Der Geruch von Hühnern + Hühnerausscheidung + vielen Menschen bei 35° und hoher Luftfeuchtigkeit war nicht unbedingt eine Wellnessbehandlung.

19.07.2016

Von der Wüste in den Dschungel

Schade, dass Kagbeni so mitten auf dem Weg liegt. Hier würde ich gerne mal übernachten - im Yak Donald Hotel. Und dann dort einen Burger essen. Jetzt bin ich offiziell ausgereist, aus dem Königreich Mustang. Da es noch so viel anderes aufregendes in der Welt zu entdecken gibt, wird es wohl die erste und letzte Reise in dieses Reich gewesen sein. Ich bin zwiegespalten. Auf der einen Seite möchte ich noch mal und noch mal und noch mal hierher, auf der anderen Seite, habe ich noch nichts von Zentralasien gesehen, kaum Afrika südlich der Sahara, Südamerika, Kanada, Russland.... Ach ja. 

Kagbeni ist eine Grenze. Ab hier ist die Wüste vorbei, ab hier sind die Religionen wieder gemischt, ab hier sind die Touristen wieder etwas häufigere Weggefährten. Genau wie der Regen. Pünktlich in Kagbeni fängt es an zu regnen. Der Weg nach Jomsom zieht sich ewig lange hin. Eher nassgeschwitzt als nassgeregnet komme ich an. Was mache ich jetzt mit dem angefangenen Tag? Es regnet, das Museum hat in der Regenzeit auch nicht auf und Internet gibt es nicht. Zum Lesen bin ich eigentlich zu müde und außerdem ist mir kalt.
Das Abendessen ist doppelt lecker. Gerstenbrei statt Reis und dann die Currys und zur Feier des Tages sogar mit ein paar Bröckchen Ziege drin. 

Der Weg zurück sollte eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes im Fluge vergehen. Aber bei Dauerregen und entsprechend tiefen Wolken, ist an einen Flug nicht zu denken. Ich storniere den Flug, bekomme das Geld und mache mich zu Fuß auf den Weg. Es regnet, es ist eklig und ich frage mich, was ich mir dabei eigentlich gedacht habe. Nachmittags bin ich in Kalopani, dem Ort mit dem schwarzen Wasser. Zumindest ist das meine Übersetzung. Kalochia heißt zumindest schwarzer Tee. Ich nehme das erstbeste Guesthouse. Ich bin komplett durchweicht und nur dankbar ein Dach über dem Kopf zu haben. Mein Zimmer ist gleichzeitig auch Lagerplatz für Reisvorräte. Riecht ein bisschen nach Maus, aber es ist trocken. Zumindest regnet es nicht direkt rein. Klamm und feucht ist es, aber was solls. Ich ziehe mir die letzten trockenen Klamotten an, meine Notration sozusagen, und krieche in den Schlafsack. Nach einem kurzen Nachmittagsschlaf, habe ich das Gefühl, dass alles, aber wirklich alles feucht und eklig ist. Abendessen und wieder in den feuchten Schlafsack. Früh morgens wache ich auf, weil ich meine etwas auf den Füßen gespürt zu haben. Die arme Maus hat sich bestimmt furchtbar erschrocken, weil ich mich so erschrocken habe. Lange muss das Mäuschen mich auch nicht mehr ertragen. Ich ziehe früh weiter.

Der Weg schraubt sich langsam den Berg runter. Es wird wärmer und wärmer. Trockener werde ich zwar nicht, aber zumindest friere ich nicht mehr. Je weiter ins Tal ich komme, umso grüner und tropischer wird es. Bald laufe ich vorbei an Bananenplantagen und die kleinen Wasserfälle am Straßenrand bieten eine angenehme Erfrischung. Kalte Cola, köstlich - wenn es sonst nur lauwarmes Wasser gibt. Als ich in Tatopani ankomme, bin ich gleichzeitig erleichtert und traurig. Der aktive Urlaub ist vorbei, ab jetzt werde ich mich wieder transportieren lassen. 

Um den Urlaub so zu beenden, wie das letzte mal, schlafe ich auch hier - ein letztes mal zu den Geräuschen des Dschungels ein.

13.07.2016

Der Weg zurück

Lo Manthang ist der Umkehrpunkt. Jetzt geht es wieder zurück, weg von Tibet, zurück in die Zivilisation. Dieses mal gehen wir einen anderen Weg. Die Pässe sind etwas höher, aber lange nicht "hoch". Bald habe ich den höchsten Punkt der Reise erreicht, 4320m. Ein bisschen windig. Auf dem Weg heraus aus der kleinen Welt in Lo Manthang, verfolgen uns ein paar wilde Hunde. Ich bin ganz froh, als sie irgendwann abdrehen und scheinbar nicht mehr an mir interessiert sind. Von einem Rudel wilder Hunde, möchte ich hier nämlich nicht angegriffen werden. 

Mittags liegt das Kloster von Ghar Gompa auf dem Weg. Hier leben ein paar Mönche, die hungrigen Touristen gerne ein Mittagessen zubereiten. Instantnudeln, gebraten mit ein bisschen Gemüse. Bei meinem Hunger schmeckt es köstlich! Der Küchenmönch findet, dass ich hungrig aussehe, und kocht extra für mich guten tibetischen Buttertee. Vielen Dank... Ich nippe ganz, ganz vorsichtig daran. Das Stinkesocken-Aroma gehört nicht zu meinen Favoriten. Zum Glück kann ich mich daran erinnern, dass ich die Tasse nie mehr als halbleer trinken sollte, um ein Nachschenken zu verhindern. Hat geklappt. Der Rest meines Tees stellt der Mönch den Vögeln hin. Die sind ganz wild drauf und stürzen sich auf die Schüssel.

Das Kloster sieht etwas verlassen aus, der Gebetsraum ist dunkel und kalt. Der Mönch erklärt mir, dass ein Teil des Klosters in einer alten Höhle liegt. Der Gebetsraum geht daher über 3 Etagen von der Eingangstür nach innen in den Berg hinein.
Der Legende nach, soll dieses Kloster zur Verteidigung gegen die Geister und Drachen gebaut. Offenbar mit Erfolg, denn ich habe bisher noch keine Geister und Drachen gesehen und ganz in der Nähe, in Dhakmar, ist das Kliff rot gefärbt vom Blut des Drachens.  Genau in diesem drachenblutroten Ort, ist das Hotel für heute Nacht. Der Ort ist klein und Touristen kommen zumindest jetzt nicht regelmäßig hierher. Es dauert ein bisschen, bis eine Hotelbesitzerin kommt und eines der Hotels aufschließt.

Ich mache noch einen kleinen Spaziergang durch den Ort. Das rote Kliff leuchtet intensiv, der Staub färbt auch meine Schuhe und meine Hose. Es ist ziemlich kühl, die Sonne hat sich hinter ein paar Wolken versteckt und ich freue mich auf ein warmes Mittagessen. Mein Magen hängt schon wieder in den Kniekehlen. Nach dem Essen, krieche ich schnell in den Schlafsack. Alles ist etwas klamm. Das Dach besteht aus dünnen Plastik-Wellblechen mit eingearbeitetem Belüftungssystem. Ich bin nicht traurig, als wir am nächsten Morgen nach dem Frühstück schnell aufbrechen.

Nach der Nacht in Dhakmar kreuzt der neue Weg den alten. Zum ersten mal auf dem Rückweg taucht Nilgiri wieder am Himmel auf. Sind wir jetzt so dicht wieder am Anfang bzw Ende der Reise? Am Vormittag treffen wir 3 Jungs. Den ältesten schätze ich auf 14, den jüngsten auf vielleicht 8 Jahre. Viel Gepäck haben sie nicht. Zusammen einen kleinen Rucksack und eine Plastiktüte. Und eine gemeinsame Flasche mit Selbstgebranntem. Die 3 laufen in zu großen Plastiklatschen und ich erfahre, dass sie hier gearbeitet haben. Jetzt sind sie auf dem Weg nach Hause, bis Jomsom müssen sie laufen, danach können sie einen Bus nehmen, der sie dann in 3-4 Tagen an die indische Grenze bringt. Ich weiß nicht, was ich zuerst denken oder tun soll. In mir entsteht eine Mischung aus Verzweiflung, Wut und dem Gefühl, die Kinder retten zu wollen. Die Kinder sind von ihren - sicherlich verzweifelten - Eltern in die Sklaverei verkauft worden. Die Familie hier, hat Kindersklaven aufgenommen... Was ist das nur für eine Welt? Dass die drei ihre Situation nicht ertragen können und sich deswegen betäuben, kann ich irgendwie verstehen. Aber... Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich stehe hier mit 3 Kindern, die eigentlich zur Schule gehen sollten, lesen und schreiben lernen und in den Pausen mit anderen Kinder toben. Stattdessen torkeln sie vormittags, vor dem eigenen Leben geflüchtet, auf dem langen Weg durch die Wüste. Das war mal wieder ein Bauchklatscher in die Realität.
 Gegen Mittag habe ich mich wieder einigermaßen gefangen und kann den Ausblick auf die längste Manimauer der Welt aus einer ganz anderen Perspektive genießen. Die Dörfer sehen aus wie grüne Inseln in einem lehmfarbenen Ozean. Was Wasser nicht alles kann. So was unscheinbares wie Wasser, kann die lebensfeindliche Wüste in einen lebendigen Lebensraum verwandeln. 
Am nächsten Tag steht noch ein Highlight auf dem Programm. Das Kloster mit dem Einsiedler. Als wir losgehen, liegt noch schwerer Nebel in den Tälern. Tiefer und tiefer geht es in die Schlucht hinein. Bergab natürlich. Nach einer guten Stunden biegen wir rechts ab und klettern eine steile Treppe hoch. Bald entdecke ich ein Meer aus Gebetsfahnen und -schals. Eine ganz unscheinbare Höhle von außen. Der Mönch, der hier wohnt, kommt vor die Tür und lädt mich ein, durch seine Höhle zu gehen. Das Herzstück bildet ein merkwürdiges anmutendes Gebilde, was mir als Stupa erklärt wird. Eine Kombination aus Stalagmit und Stalagtit  -Tropfsteine, die sich in der Mitte getroffen haben und zu einer Einheit verschmolzen sind. Überall stehen Figuren, es hängen Schals und bunte Gebetsfahnen, Öllampen und andere Gaben. Ich bin fasziniert. Noch faszinierter bin ich, als der Mönch mich einlädt, mich hinzusetzen und einen Tee mit ihm zu trinken. Er erzählt von seiner Pilgerreise und seinen Meditationsübungen. Er hat die Bibel gelesen, den Koran und kann die tibetischen Schriften auswendig. Sein Englisch ist einwandfrei, daneben spricht er auch noch tibetisch, nepali, französisch und chinesisch. Seit einigen Jahren lebt er alleine in dieser Höhle, mindestens 1,5 Stunden von der nächsten menschlichen Siedlung entfernt. Er ist komplett auf die Geschenke von anderen angewiesen. Und die scheint er zu bekommen. Die Öllampen brennen und er erzählt stolz, dass er jeden Tag etwas zu essen hat. Und wieder einmal keimt in mir dieses Gefühl von Dankbarkeit und Demut. Dieser deutlich gebildete Mann in meinem Alter lebt hier, ganz alleine. Tagein, tagaus. Er ist belesen, kann viele Sprachen und ist trotzdem - oder deswegen? mit einem absoluten Minimum zufrieden. Jeden Tag, etwas zu essen, Zeit zum beten und meditieren und Gottvertrauen, das ist alles, was er zum Leben braucht.
Noch ganz erfüllt von der Begegnung geht es weiter durch die Schlucht. Irgendwann geht es wieder bergauf. Langsam habe ich richtig Hunger, der Berg will aber kein Ende nehmen. 10 Schritte und tief durchatmen. Wieder 10 Schritte. Ich habe Hunger wie eine ganze Herde Wölfe am Ende des Winters. Endlich bin ich oben und sehe schon das Dorf, wo es Mittagessen geben soll. Es sieht gar nicht so weit aus. Tja, zu früh gefreut. Es sind noch 2 Flusstäler, die auf dem Weg liegen. Gefühlt sind es Stunden und ich hätte fast den Boden (oder besser den Tisch) geküsst, als ich endlich in der Küche des Guesthouse sitze und den Reistopf zischen höre. Ich esse 2 Portionen, von der jede eine durchschnittliche 4-köpfige Familie satt gemacht hätte. Jetzt bin ich zumindest ein bisschen gestärkt und kann weiter gehen. Ab jetzt ist der Weg der gleiche wie auf dem Hinweg. Jetzt heißt es Abschied nehmen von Mustang, dem mythischen Königreich, dem Tibet außerhalb von Tibet. Gerne wäre ich länger geblieben, hätte gerne mehr gesehen, gerochen, geschmeckt und erlebt. Aber auch so bin ich dankbar und ein bisschen zufrieden und das obwohl ich die Wüste jetzt wieder verlassen werde.

06.07.2016

So dicht an Tibet war ich noch nie

In Lo Manthang alleine gibt es viel zu sehen. Einen ganzen Nachmittag verbringe ich mit einer spannende Reisegruppe damit, die Kloster und den Königspalast zu bestaunen. Wir werden am Kloster vom Chefmönch abgeholt. Er erzählt vor allem über die Schule und seine Mönchskinder. Irgendwie kommt mir das bekannt vor... Die Schule hier ist für die Region recht groß und wird von westlichen Spendern unterstützt. Sonst, erzählt der Abt, könnten sie den Kindern keine Kleidung und kein warmes Essen geben im Winter. 

Rund um die Innenstadt von Lo Manthang ist eine 6m hohe Mauer gebaut. Die Mauer hat dem Erdbeben stand gehalten, während einige der anderen Gebäude deutlich Spuren des Bebens tragen. Hier haben die Menschen anderes zu tun, als sich um den Wiederaufbau zu kümmern. Auch wenn der Tourismus mehr oder weniger explodiert ist in den letzten 10 Jahren, kämpfen die Menschen doch jeden Tag für das wesentliche: einen vollen Bauch und ein warmen Platz zu Schlafen. Wenn dann noch Energie übrig ist, werden Kunstwerke gefertigt, in der Schule gelernt und Häuser gebaut. Der Abt auf jeden Fall, ist Stolz auf sein Kloster und seine Schule. Sein Ziel ist es, dass jedes Kind in Lo Manthang lesen und schreiben lernt - und natürlich die Grundzüge des Buddhismus, der hier den Alltag deutlich prägt. 

Insgesamt 3 Klöster dürfen wir uns angucken. Eines ist nicht mehr im aktiven Klosterbetrieb und ziemlich verstaubt, ein anderes wird gerade von der EU restauriert. Hier sitzen Männer und Frauen auf abenteuerlichen Gerüsten (wenn das mal die Geldgeber wüssten...) und malen mit winzigen Pinselchen die Wandgemälde neu. Der ganze Prozess ist in Wahrheit noch komplizierter. Zuerst werden die detailreichen Figuren nämlich abgepaust,dann auf übertragen, um erst dann wieder an die Wand gebracht zu werden. 
Fasziniert von der Fremdheit der heiligen Stätten gucke ich mir alles an. Auch nach vielen Erklärungen und einigen Besuchen werden mir buddhistische Tempel nicht vertrauter. Oder doch, ein bisschen schon. Ich weiß um einige Rituale und kenne die Bedeutung einiger weniger Symbole. Aber der Buddhismus an sich, wird mir dadurch nicht vertrauter. 

Ein langer Tag mit Erkundungen in Lo Manthang geht zu Ende und ich freue mich nach einer herrlichen Massage, die meinen rucksacktragenden Schultern wirklich gut getan hat, auf einen neuen spannenden Tag.

Der neue Tag soll mich nach Chhoser bringen. Ein Dorf, etwa 2 Stunden Richtung Tibet. Dort gibt es Höhlen, die ich besichtigen kann und ein weiteres Kloster. 
Der Weg ist leicht zu laufen und der Rucksack fast leer. Nachmittags werde ich wieder in Lo Manthang sein, ich muss also nichts weiter mitnehmen als Wasser und Kamera. Nach knapp 2 Stunden auf staubigen Wegen, immer mal ein bisschen rauf und runter, sind wir in dem Örtchen, das so dicht an Tibet ist, dass ich fast hinspucken könnte. Hier ist alles für die Touristen hergerichtet. Es gibt schöne Wegweiser und ein Restaurant/Souvenirgeschäft/Café. Als erstes geht es zum Kloster. Dort findet gerade eine Zeremonie statt (ein Gottesdienst, eine Andacht??). Ich werde schnell eingeladen, mich dazu zu setzen. Ein junger Mönch bringt mir eine Schale mit Gebäck. Am ehesten schmeckt es, wie sehr, sehr gut frittierte Hirschhörner. Süß und fettig, sehr knusprig und vielleicht nicht gerade von heute morgen. Aber schmecken tut es trotzdem. Ich versuche dem Ablauf zu folgen, was mir natürlich nicht gelingt. Wo soll ich denn zuerst hingucken?

Alle 10 Mönche sitzen entlang der Wände des winzigen Raumes. Die Buddha Statue am Kopfende des Raumes ist mit einer Neonröhre beleuchtet. Einer der Mönche rezitiert in ein Mikrofon. Er scheint eine leitende Funktion zu haben. Die anderen fallen in den Singsang mit ein, blättern hier und da in ihren tibetischen Büchern und singen zumeist mit geschlossenen Augen. Hin und wieder gucken die Jungs auf ihr Handy, kichern und essen ein paar Kekse. Dann geht einer herum und schenkt frischen Tee ein. Eine gute Stunde folge ich dem, was ich für einen Gottesdienst (also das buddhistische Äquivalent) halte und lasse das Fremde, was mich mit soviel Energie für den Alltag füllt, auf mich wirken. 
Vor dem Kloster treffe ich auf eine alte Frau. Sie sieht unsagbar alt aus, das Gesicht von tiefen Falten durchfurcht, die Augen trüb. Sie trägt eine tibetische Tracht, die ihre besten Tage schon hinter sich hat. Um ein Foto machen zu dürfen, soll ich ihr Geld geben. Ich gebe ihr den kleinsten Schein, den ich habe (10 Rupees), das ist in etwa das, was sie am Tag verdient. So sind wir am Ende beide zufrieden. Ich, weil ich ein schönes Foto gemacht habe, mein Modell, weil sie schon am Vormittag so viel verdient hat, wie sonst erst am Abend. Das Mittagessen für diesen Tag ist gesichert. 























Ich will weiter zu den Höhlen. Nur 10 Minuten ins Tal hinein ist eine kleine Treppe in den Fels gebaut. Nach einer Weile kommt ein kleiner, dünner, betrunkener Mann und schließt die Tür auf. Ich darf raufklettern und bin auf der einen Seite fasziniert, auf der anderen Seite enttäuscht. Es sind Höhlen, ja. Aber da ist irgendwie nichts mystisches, nichts geheimnisvolles, nichts spannendes beim Durchgehen. Die Geschichten von den tibetischen Freiheitskämpfern, die sich hier vor einem halben Jahrhundert versteckt haben, die finde ich spannend. Und auch die tibetischen Mönche, die vor vielen hundert Jahren, diese Höhlen zum meditieren genutzt haben sollen. Aber wer die Höhlen, die zum Teil 50m hoch in die senkrecht aufragende Felswand gebaut sind, gegraben hat, bleibt vorerst ein Geheimnis. 

Nach einer Tee-und-Mango-Pause in dem urigen Café, geht es zurück. Das erste mal umkeheren... In dem Café/Laden/Restaurant gab es allerlei spannendes zu kaufen. Tuborg Bier, wie überall, Nutella, Fake Money, Becher, Eier, tibetische Schuhe, Nike Schuhe, Seife und Nudeln. Chinesische Süßigkeiten, Cola, scharfe Sauce, Waschmittel, Vorhängeschlösser, Kekse, Snickers und Werkzeug. Und sicher noch sehr viel mehr, wenn ich nachgefragt hätte. 

Auf dem Weg zurück, machen wir einen kurzen Stopp im Mustang Museum. Eine Familie hat ein paar Artefakte gesammelt und sie in eine Vitrine gelegt. Die Vitrine steht allerdings etwas abseits in einem Lagerraum. Die Exponate hätten durchaus einen anderen Platz verdient. Beschwingt und zufrieden mit dem Tag, trotz des traurigen Museums, geht es zurück nach Lo Manthang. Dort warten die Hotelbesitzer schon mit frischen Momos auf mich.

03.07.2016

Ein Königreich im Königreich im Köngireich

Der Weg führt weiter Richtung Tibet, rauf und runter und rauf und runter. In fast allen Orten auf dem Weg halten wir an, entweder um dort Mittag zu Essen oder zu übernachten. Der Wind ist nicht weniger stark geworden und pustet mir angenehm in den Rücken. Ich mag gar nicht daran denken, wie es sein wird, wenn ich in die andere Richtung gehe und mir der Wind ständig Sand in die Augen pustet. An einem weiteren Pass machen wir eine Pause. Das erhebende Passgefühl bleibt auch hier aus. Vielleicht, weil die Pässe einfach nur der höchste Punkt der Straße für diesen Abschnitt sind. Trotzdem werden sie markiert. Immer sind Steinhäufchen und Gebetsfahnen und -schals zu finden. 


Strahlend blau ist der Himmel über mir, keine Spur von den dicken grauen Wolken, die bis vor kurzem der Sonne den Weg auf die Erde verdeckt haben. Ich bin jeden Tag, jede Stunde, jede Minute wieder fasziniert von den Gesteinsformationen, die alle paar Augenblicke wechseln. Mal sieht es aus, als wäre das lose Gestein rund um säulenartige Gebilde, einfach weggeräumt worden. Da stehen eben nur überdimensionierte Tannenzapfen aus Stein im Berg. Dann wellt sich der Berg als wäre er aus Samt und Seide. Und dann wieder schneidet ein Fluss einen tiefen Canyon in das Plateau, das kurz darauf endet und in einer sanften Steigung zum nächsten Pass führt. Wenn ich mich einfach nur um sich selbst drehe, habe ich das Gefühl, eine Reise durch die verschiedensten Länder und Landschaften dieser Welt zu reisen, so unterschiedlich sind die Formationen rund um mich herum. 
Auf dem Weg liegt die längste Mani-Wand in Mustang. Ich habe nicht nachgemessen, aber lang ist sie auf jeden Fall. Beim daran entlang gehen, habe ich es gar nicht so wahrgenommen, erst später von etwas weiter weg. 

Der Ort Chharang ist bekannt für das Kloster und den ehemaligen Köngispalast. Mustang ist ein nicht ganz ehemaliges Königreich. Der König hat nur noch eine formelle Bedeutung und außerdem lebt er in Pokhara, weil das Klima für den Greis dort angenehmer ist. Die Regierung in Nepal, sowohl die alte Monarchie als auch die aktuelle Demokratie dulden das Königreich der Tibeter, das zufälligerweise in den aktuellen Grenzen von Nepal liegt. Der Staat Nepal profitiert sehr von diesem kleinen, geheimnisumwobenen Königreich. Jeder Tourist, der Mustang betritt, muss 500US$ an den Staat zahlen. Ein bisschen geht davon an Mustang, das meiste in irgendwelche schwarzen Koffer und ein bisschen an den Staat Nepal. 

Von Chharang ist es nur noch ein Katzensprung nach Lo Manthang. Lo Manthang ist das Zentrum, das Herz und die Hauptstadt von Mustang. Der Name Mustang ist wohl ein nepalisches Missverständnis von Lo Manthang. Lo Manthang hat eine ummauerte Innenstadt in der das Herzstückt, das Kloster und der Königspalast liegen. Viele Restaurants und Hotels reihen sich um die Stadtmauer. Im Hotel trifft sich Abends die Jugend zum Mittagessen. Die Stimmung ist fröhlich und ausgelassen. Ich unterhalte mich lange mit einem Nepali, der zur Zeit des Bürgerkriegs nach Belgien geflohen war und dort von seinem 6-25. Lebensjahr gelebt hat. Nach dem Studium ist er zurück nach Nepal gezogen, hat das sichere Europa hinter sich gelassen und stellt sich nun den Herausforderungen des Alltags in Jomsom. Er hat eine Apfelfarm, eine Motorradwerkstatt und einen Laden, in dem er alles mögliche verkauft. Um für diesen Laden Nachschub zu besorgen ist er hier. Auf der tibetischen Seite der Grenze ist ein Markt. Man kann einen Tagespass für den Grenzübertritt kaufen. Die chinesischen Grenzbeamten behalten allerdings den Reisepass, bis man wieder ausreist. Mein Gesprächspartner lacht kurz, seinen belgischen Pass würde er für so eine Aktion niemals benutzen. Immer nur den nepalischen. Der sei so wenig wert, den wollten nicht mal chinesische Grenzbeamten haben.

01.07.2016

Unterwegs in der Wüste

Die Entscheidung nach Mustang zu fahren, hatte mehrere Gründe. Zum einen hat mich die Gegend vor 2 Jahren sehr fasziniert, zum anderen liegt Mustang im Regenschatten der Anapurna-Kette. Und das ist mitten im Monsun unendlich viel wert. Nach der etwas etwas längeren Anreise, würden ein paar Tage laufen wirklich gut sein. Also los. Ich frühstücke im Hotel und dann ziehen wir los. Kommen am Litlle Asia Hotel vorbei - etwas anders als in meiner Erinnerung, aber könnte schon stimmen, über die Brücke durch das weniger touristische Jomsom und dann sind wir auf dem Weg. Der Weg, führt wie beim letzten mal, am Fluss entlang. Dieses mal kein Tee im Ekle Bhatti Hilton Hotel. Dafür eine Pause in Kagbeni. Das Mittagessen besteht aus Kartoffeln. Angeblich eine der Hauptenergiequellen hier. Mal sehen, wie es weiter geht. Eigentlich sollten wir hier übernachten. Aber um 11.00 schon am Tagesziel zu sein, kommt mir merkwürdig vor. 

Ich will lieber weitergehen. In Kagbeni müssen wir uns am Ortsausgang registrieren. Die Prozedur hat sich in den letzten 2 Jahren nicht verändert, es gucken immer noch 2 zu, wie der eine registriert und den 2 Kontrolleuren, gucken wiederum 4 weitere zu. Ich gucke mir derweil die Straße vor dem ACAP-Office an. Eine Mani-Wand teilt die Straße. Ich mag diese Gebetsmühlen so gerne angucken. Die sind so fremd, so faszinierend und irgendwie haben die was beruhigendes. In jeder Gebetsmühle sind die 108 wichtigsten Mantras aufgeschrieben und aufgerollt. In den größeren gleich mehrfach, in den kleineren eben nur einmal. Am Ende der Straße haben 3 Frauen angefangen die Spreu von der Gerste zu trennen. Auf einer großen Plane ist das Getreide aufgehäuft. Immer wieder füllen sie kleine Portionen der Körner auf eine Art Tablett. Dann werfen sie die Körner in die Luft. Der Wind pustet die leichte Spreu weg, während die schweren Körner zurückbleiben und wieder auf das Tablett fallen. Die So gereinigten Körner werden auf einen Haufen geleert und die Prozedur geht von neuem los. Ganz schön viel Arbeit für so eine bisschen Korn. Gerne wäre ich geblieben und hätte weiter zugeguckt. Aber wir wollen weiter. 

Der Weg führt uns Richtung Tibet. Nilgiri bewacht uns auf dem Weg. Hin und wieder guckt auch Muktinath Peak durch die Wolken. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm und der Wind pustet mir in den Rücken. Damit kann ich leben. Nach der langen und anstrengenden Steigung am Anfang des Tages, hatte ich gehofft, es würde weniger bergauf gehen. Aber scheinbar geht es nur hoch. Dabei sollen wir doch gar nicht so hoch kommen. Nur 4230m - gefühlt sind wir mindestens schon 5000m hoch. Nach einer langen Steigung kommt ein Plateau, eine Vidde. Hä? Ist das da ein Zaun? Hier steht Nepals höchste Apfelfarm. Sieht allerdings nicht gerade bewirtschaftet aus. Die Bäume sind kaum zu erkennen und die Scheiben am Kontrollhäuschen sind eingeschlagen. Der Ausblick ist allerdings wirklich schön und so machen wir eine kurze Pause hier, essen einen Apfel, auch wenn der nicht von der Farm hier kommt. Der Weg geht runter, fast ein bisschen zu steil. Ich bin lieber auf der Straße gegangen, um den fast senkrechten Pfad zu umgehen. Plötzlich ist da eine Bewegung am Hang. Erst ganz undeutlich, dann etwas besser zu erkennen. Mama Reh (oder sowas in der Art) und ihr Kind hoppeln über die Straße und lecken hier und da an einem Stein. 
Mittlerweie bin ich ziemlich kaputt und freue mich auf eine Dusche. In Pokhara hatte ich die grandiose Idee, etwas Gutes für die Gemeinschaft zu tun und habe mich von den Helping Hands massieren lassen. Leider hat die Frau das Öl mehr oder weniger nur auf meinem Kopf verteilt und das laukalte Wasser im Hotel hat auch bei dreimaligem Haare waschen nichts weiter gebracht, als das Öl möglichst tief in den Haaren einwirken zu lassen.
 
Gegen 17 Uhr sind wir in Chucksang. Das Hotel ist sauber und freundlich. Ich sitze erst eine Weile im Aufenthaltsraum und schreibe ein paar Zeilen ins Tagebuch. Dann ist das Wasser aufgeheizt und ich bezahle brav die 200 Rupees, um zu duschen. In meiner Erwartung ist die Dusche ein kleines Rinnsal mit lauwarmen Wasser. Umso überraschter bin ich, als mich ein kräftiger Strahl mit richtig warmen Wasser trifft. Nach 2 Runden ist sogar das Öl ausgewaschen und ich kann mich dem wirklich Wichtigen widmen, Essen! Es gibt Dal Bhat und ich bin zufrieden. Ein kurzer Abendspaziergang durchs Dorf rundet diesen Tag ab. Wie es im Urlaub so ist, liege ich schon bald selig schlummernd im Bett.

Von Chucksang soll es weitergehen nach Syangboche. Die phonetische Übertragung von tibetischen/nepali Namen in europäische Sprachen ist nicht immer einfach. Die Buchstaben B und M liegen in der hiesigen Sprache so dicht beeinander, dass man unmöglich sagen kann, das es eindeutig das eine oder das andere ist. Also wird der Ort auch mal als
Syangmoche bezeichnet. Wichtig ist vor allem, dass wir dort hinkommen. Aber das sollte kein Problem sein. Die Wege sind breit und gut zu laufen. Eigentlich gehen wir die ganze Zeit auf der Straße. Die hist hier halt ein Schotterweg. Ab und zu gibt es Fussgängerabkürzungen, die etwas steiler den Berg raufführen und nicht in langen Kurven.
Eine Weile begleitet uns der Kali Gandhaki Fluss, bevor wir (oder er?) abbiegen. In den Felsen sind immer wieder kleine Löcher, die bei genauem Hinsehen gar nicht so klein sind, sondern die Fenster von Höhlen. Die Höhlen wurden wohl als Meditationsort geschaffen und später von tibetischen Freiheitskämpfern für als Versteck genutzt. Ich kann mir vorstellen, dass die Höhlen auch mal als Aufenthaltsraum/Wohnung genutzt wurden. Aber darüber stand nichts im Reiseführer. Es geht mal wieder bergauf und ich will schon protestieren, dass wir jetzt doch nicht mehr weiter hoch können, wenn wir angeblich nur
knapp über 4000m sollen. Wir waren doch auf jeden Fall bei 3700m in Chucksang. Bald sehe ich Gebetsfahnen, die über eine Steinhaufen gespannt sind. Hier ist also eine Pass und gleich wird es wieder runter gehen. Oben auf dem Pass eine kurze Pause. Ein bisschen was trinken, einen Keks essen und weiter. In der Ferne sind Gletscher zu sehen. Die stehen schon auf der anderen Seite der Grenze - in Tibet. Zu gerne würde ich da auch mal hingehen. Nicht fahren, nicht fliegen, nein Laufen. Auch wenn ich immer wieder daran zweifel, ob es eine gute Idee ist, zu laufen, weil mich Steigung und drückende Steine völlig fertig machen, bin ich am Ende des Tages so angenehm erschöpft, dass ich freiwillig um 20 Uhr ins Bett gehe und tief und fest bis zum nächsten Morgen schlafe. Das ist wirklich Erholung pur. Besser könnte es nicht sein. 

Ok, aber der Pass, der eigentlich keiner ist. Oder sich zumindest nicht so anfühlt. Allerdings hat sich die Landschaft radikal verändert seit wir auf dem höchsten Punkt der Straße waren. Plötzlich ist es viel grüner geworden. Oder zumindest stehen deutlich mehr Pflanzen herum. In Ghami machen wir Mittagspause. Hier ganz in der Nähe ist die längste Manimauer in ganz Mustang. Von Ghami muss ich erst durch ein Flusstal. Diese Dinger haben es echt in sich. Erst steil bergab,dann über ein Rinnsal von Fluss und dann die ganze Strecke wieder bergauf. Und dann stehe ich plötzlich vor der Wand. Vielleicht 100m lang streckt sich diese Mauer durchs Gelände. Die obere Hälte besteht auch Manisteinen mit den wichtigsten Mantras: Om Ma Ni Padme Hum steht auf jedem Stein drauf. Ich habe nicht gezählt, aber es sind viele, sehr, sehr viele Steine. Wenn ich tatsächlich jedes mal gebetet habe, wenn ich an so einem Stein vorbei komme, dann habe ich viel gebetet.
 
Am Ortsein- und ausgang stehen oft Stupas oder Chorten. Die sind hier mit natürlichen Erdfarben angemalt, weiß, rot, gelbbraun. Passt gut in die doch recht karge Landschaft. Ich weiß nicht genau warum, aber diese Wüste gefällt mir. Keine Bäume die mir die Sicht nehmen, nur Sträucher und Sukkulenten. Hin und wieder mal ein Löwenzahn. Yaks und Ziegen kreuzen den Weg. Eine Ziegenherde ist so groß, dass wir stehen bleiben müssen, um sie vorbei zu lassen. Der ihnen folgende Hirte geht mit der Herde zu den Futterplätzen. Jeden Tag, bei jedem Wetter. Und immer begleitet von den gigantischen Bergen des Himalaya. Die müssen ganz schön mit sich im Reinen sein, soviel Zeit, wie die hier in der Einsamkeit, nur mit den nichtsprechenden Tieren verbringen. Ich glaube, als Ziegen- oder Schafhirte könnte ich mir auch einen Urlaub vorstellen. Den ganzen Tag draußen und in Bewegung mit den Tieren. Aber eben nur als Urlaub, für eine begrenzte Zeit. Ich schreibe das mal auf die Bucketlist.

21.06.2016

Zum Glück ist vieles heil geblieben

Schon vor dem Abflug habe ich überlegt, ob ich in Kathmandu überhaupt noch was wiedererkennen würde, nach dem Erdbeben. Der Flughafen hatte sich auf jeden Fall nicht verändert. Auf der Fahrt ins Thamel war es ja schon dunkel, aber trotzdem konnte ich den einen oder anderen Blick auf die Stadt werfen. Viel Zerstörung habe ich nicht gesehen. Auch der Hindu-Tempel mit den Ghats am Bagmati Fluss, stand da, ganz genau, wie vor 2 Jahren. 
Irgendwann wusste mein Gehirn, dass wir gleich links abbiegen würden. Und kurze Zeit später, sind wie links abgebogen. Diese GPS-Neurone sind faszinierend. Nur dass die Mosers mir jedes mal - mit allen Familiengeschichten - in den Kopf kommen, wenn diese Superneurone mal wieder ihren Job machen, das nervt ein bisschen. 
Nach dem Abbiegen wusste ich genau, wo wir sind. Das Hotel liegt in der Nähe des Garden of Dreams, einem Park in dem sich Kathmandus reiche Jugend zum Händchenhalten trifft. 
Mein Zimmer liegt im 2 Stock und hat eine Klimaanlage. Jetzt hoffe ich nur, dass der Strom nicht gleich ausgeschaltet wird. Kurz duschen und dann ins Bett. Ich fülle meine Wasserflasche und bin unsicher, ob ich dem Filter trauen kann. Mutig trinke ich einen Schluck. Wenn der Filter nicht funktioniert, habe ich jetzt bald ein Problem. Aber erstmal lege ich mich ins Bett und falle kurz darauf in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen wache ich davon auf, dass die Klimaanlage ausgeht. Ok, heute ist also um 7 Uhr Schluss mit dem Strom. Ich packe ein bisschen um und gehe frühstücken. 
Dann werde ich auch schon von einem City-Guide abgeholt und los geht es zu den mir wohl bekannten Sehenswürdigkeiten. Nur im Regen kannte ich die Tempel noch nicht. 
 
Als erstes steht der Affentempel auf dem Programm. Swayambhunath hat das Erdbeben nicht unverletzt überlebt und hier und da fehlt ein Stück der Anlage, bzw. liegt als Schutthaufen in einer Ecke. Trotz der offensichtlichen Zerstörung tobt hier das Leben. Ein paar Touristen patschen durch die Pfützen, Arbeiter tragen Steine - jedem Arbeiter gucken 2 Aufpasser zu, diese werden von jeweils 4 Oberaufpassern beaufsichtigt und bei besonders wichtigen Arbeiten, werden die 4 Oberaufpasser auch noch von 8 Super-Oberaufpassern beobachtet, dazwischen der eine oder andere, der zum Beten oder Opfergaben bringen gekommen ist. Und nicht zu vergessen, die Affen. 

Weiter geht es zum PashupatinathTempel, den ich gestern Abend schon aus dem Autofenster gesehen habe. Auch hier liegen einige Schutthaufen, aber die Grundstruktur ist genau, wie in meiner Erinnerung. Hier wird gerade ein wichtiger Mann zur Kremierung vorbereitet. Mit reichlich oragenen Blumen geschmückt liegt der Tote auf den Stufen des Bagmati-Flusses. Die Menschen, die dem Mann die letzte Ehre, bzw das letzte Wasser auf den Kopf gießen oder Blumen hinlegen, erweisen wollen, stehen in einer langen Schlange an und warten geduldig, bis sie an die Reihe kommen. Der älteste Sohn des Mannes hat seine Haare, bis auf einen kleinen Zopf abrasiert und steht nur in einer Art Unterhose bekleidet dich bei der Leiche und nimmt die Beileidsbekundigungen entgegen. Er ist es auch, der dem Vater das Benzingetränkte Strohbüschel in den Mund stecken und anzünden muss. Sicher keine leichte Aufgabe.
Seit einiger Zeit gibt es ganz in der Nähe auch ein modernes Krematorium, in dem die Leichen innerhalb einer Stunde verbrannt werden. Das ist deutlich günstiger, wird aber nur ungern genutzt, weil es nicht so traditionell ist. Die Ghats werden nämlich stundenweise gemietet. Und so eine normale Verbrennung dauert oftmals mehrere Stunden. Es fängt wieder an zu regnen und wir machen uns auf den Weg, weiter zu Boudhanath, dem größten Stupa Nepals. 

Boudhanath ist versteckt unter Planen. Auch hier hat das Erdbeben seine Spuren hinterlassen. Der Stupa wird gerade restauriert. In einem der Restaurants mit Dachterrasse gehen wir Mittag Essen. Weiß genau, was ich will - Momos. Diese unendlich leckeren tibetischen Teigtaschen. Auf die habe ich mich schon die ganze Zeit gefreut. 

Der Besuch hier ist kurz, viel gab es leider nicht zu sehen. Und so ziehen wir weiter zum Kathmandu Durbar Sqaure, wo die kleine Kindergöttin leidet. Da es wie aus Eimern schüttet, habe ich keine große Lust mich zwischen Baugerüsten und Matschgruben großartig umzugucken. Als ich das letzte mal hier war, tobte das Leben. Jetzt spritzt der Matsch. Wir gehen durch die Ausstellung und ich bekomme die Monarchie und das Ende selbiger erklärt. Dieser Anschlag auf die Königsfamilie, der zum Ende der Monarchie geführt hat, ist immer noch ein Mysterium. Keiner weiß so richtig, was passiert ist und vor allem, wer den Anschlag verübt hat. Onkel oder Sohn? Beide hätten sicher ihre Gründe gehabt. Und keiner hat das erreicht, was er erreichen wollte: nämlich Nepals regierender König werden. 

Dann kommen wir in den Innenhof mit dem Fenstern des versklavten Kindes. Diese hinduistische Göttin, muss das Kind einer buddhistischen Familie sein. Es gibt mehrere Schönheitskriterien, die sie erfüllen muss und dann muss sie das Pech haben, von den Göttinnenjägern entdeckt zu werden. Im Alter von 3-5 Jahren wird das Kind aus seiner Familie gerissen und von da an, jeden Tag geschminkt und ans Fenster gesetzt, damit sie begafft werden kann. Ein Privatlehrer sorgt dafür, dass das Mädchen ein wenig Schulbildung bekommt. Hin und wieder darf sie die Eltern als Besucher empfangen, aber nicht berühren. Zu jeglichen Veranstaltungen außerhalb ihres Gefängnisses, wird sie getragen. Mit ca 13 Jahren, ist der Spuk vorbei und das Kind wird seinen Eltern zurückgegeben. Völlig verstört und sozial unfähig. Die Ex-Kumari bekommt eine kleine Rente und muss von nun an ein anderes Leben führen. Die meisten Mädchen schaffen es nicht, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Ihnen fehlen um die 10 Jahre des sozialen Lernens. Zu dem gilt es als unglückbringend für den Mann, wenn er eine Ex-Kumari heiratet. Klasse, bestimmt für ein Leben in Armut. 
Ich bin genauso geschockt, wie beim letzten Besuch. Dass die Kumari ans Fenster gekommen ist, hat mich nicht weiter beeindruckt. Mir tun diese Mädchen einfach nur unendlich leid. 

Inzwischen ist es schon später Nachmittag und ich freue mich auf eine Dusche und ein bisschen ausruhen. Ein kurzer Stopp bei Tika, dem Veranstalter im Büro. Permit und Tickets sind klar. 
Mustang, pass auf, ich komme!